Archiv für deutsch

das volk der dichtenden henker & richtenden denker

    es ist ein volk der dichter und denker,
    so sagen sie stolz,
    als ob ehre gebührt.

    es ist ein volk der richter und henker,
    so sag‘ ich voll scham,
    die von geschichte herrührt.

    und so schwenken sie fahnen,
    grölen laut von der heimat,
    schwarz-rot-gold
    wird zum heiligen schein.

    und herren lenken in bahnen,
    von denen keine ein herz hat,
    schwarz-rot-gold
    pflanzt den tödlichen keim.

    so kommt’s, dass freude erblühet,
    von drei farben getragen,
    zur wahrheit wird lüge
    und alle sind blind.

    so kommt’s, dass es keinen berühret,
    wenn konzernbosse tagen,
    zum loblied wird rüge,
    deutsches feuer tötet ein kind.

    es ist ein volk der dichter und denker,
    so sagen sie stolz,
    als ob ehre gebührt.

    es ist ein volk der richter und henker,
    so sag‘ ich voll scham,
    die von geschichte herrührt.

     

    Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
    (geschrieben am 21.06.2018)

ödland

es zerbrach einst ein feuer
den strahlendblauen himmel,
fiel dann in flammen hinab,
brachte elend und leid.

die luft ward zu asche,
welche tödlich erstrahlte,
die welt verbrannte,
nur tod liesz, wo leben einst war.

in ruinen stand alles
als abglanz der grösze,
die hybris nur brachte,
hass schuf und krieg.

ein krieg voll von wahnsinn,
wo krieg immer gleich bleibt,
zermalmte das sein,
verschlang jeden sinn.

aus blutiger erde
ward nichts mehr geboren,
das wasser voll gift nur,
welches stillt keinen durst.

es zerbrach einst ein feuer
einer mächtigen waffe.
der himmel ward stahlgrau
und öd‘ alles land.

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 27.03.2018,
als mp3 downloaden: mit Genez 2019_scheinwelt_-_cd_cover_front,
entstand im Rahmen des Satjira-Projects (siehe »Ödland«))

streit

du bist voll zorn, ich bin es auch.
ein faden nur aus dünnem rauch,
der noch besteht, zu leicht verfliegt,
wenn streit die liebe überwiegt.

es dreht im bauch die wut sich um
und sei der grund auch noch so dumm.
auch wenn er wahr und auch gerecht,
vom dreh‘n im magen wird mir schlecht.

freundschaft und liebe schnell vergeh‘n;
ja, nur in reflexion besteh‘n,
hängen an mir und auch an dir,
so lass uns seien offen ihr.

du bist voll zorn, ich bin es auch.
ein faden nur aus dünnem rauch,
der blühen kann, aber nicht muss.
ich schenk‘ ihm leben bis zum schluss.

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 23.01.2018,
aus der »Geschichte von Alex und Sascha«)

die demo

Ein Gedicht aus der »Geschichte von Alex und Sascha«:

wegen der mieterhöhung sind wir hier,
uns uns’rer freund*innen hilfe holen.
mit ihnen steh’n nun seit‘ an seite wir
gegen krieg und stumpfe hassparolen.

klar waren kriege immer scheisze schon;
nur zu ’ner demo ging ich selten raus.
so fühl‘ ein wenig ich der welten hohn,
dass ich erst hier, wo es geht um’s haus.

nun laufen wir mit schildern und ’ner fahn‘
vom alex hin zum brandenburger tor.
fordern frieden und’s end‘ vom waffenwahn
und kommen uns doch allzu machtlos vor.

wie um dies‘ gefühl zu untermauern,
bilden behelmte cops uns ein spalier.
die friedfertigkeit muss heute trauern.
»demokratie« schmückt sich mit knüppel-zier.

doch wo sie uns treten und uns schlagen,
ergreift die deine plötzlich meine hand.
fühl‘ die kraft durch meinen körper jagen;
von heut‘ an steh‘ ich gegen dieses land.

will nicht mehr der lethargie erliegen.
weisz solidarisch dich an meiner seit‘.
auch wenn heut‘ noch ihre bomber fliegen,
sind wir bot*innen für des friedens zeit.

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 19.01.2018,
aus der »Geschichte von Alex und Sascha«)

weniger statt mehr

»alle einsteigen bitte.«
ins gedräng‘ der bahn hinein,
die masse schiebt mich in die mitte,
zur arbeit hin. ich will nicht, nein.

doch nach wollen nicht gefragt,
muss ich wohl des weges geh’n
und weil noch die geldnot an mir nagt,
werd‘ ich auch nach zusatzschichten seh’n.

dies gleicht einer bettelei.
kürzer treten, sollen wir.
was mit mir geschieht ist einerlei,
nur der wirtschaft »nöte« gelten hier.

»alle aussteigen bitte.«
für mehr arbeit wollt‘ ich mehr.
stattdessen gab’s verbale tritte.
sag, wo nehm‘ ich nun die miete her?

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 16.11.2017,
aus der »Geschichte von Alex und Sascha«)

mieterhöhung

guten tag verehrte mieter
und ihr mieterinnen auch,
wir erhöhen ihre miete,
denn das ist bei uns so brauch.

doch bevor sie nun empört sind,
dass ihr wohnraum uns gehört…
nun, das ist kapitalismus,
freiheit, die sie sonst nicht stört.

also uns’re freiheit freilich,
nicht die ihre oder so.
für den markt und die verwertung
lohnt sie, sei’n sie drüber froh.

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 19.10.2017,
aus der »Geschichte von Alex und Sascha«)

alltäglicher abend

in dunkler nacht versinkt der tag.
auf ihm liegt jene arbeit schwer,
die ich auf meinen schultern trag.
sehn‘ nach ’ner pause mich so sehr…

im bier und in des fernseh’rs bild
verschwimmen geist und emotion
und in mir tobt die sehnsucht wild.
doch was nützt all das träumen schon?

was geschieht sind nicht’s als schäume.
so treibt des alltag’s trott voran.
müde schlaf‘ ich ohne träume;
was geht mich da der terror an?

»lass sie doch reden«, sag ich mir;
betroffen sind sie eh nicht mehr.
selbst wenn die bombe krachet hier,
ich schlafe nun, mein kopf ist leer.

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 04.10.2017,
aus der »Geschichte von Alex und Sascha«)

Efrîn

Wer nicht aus Geschichte lernt, ist verurteilt, sie wieder zu erleben. 79 Jahre nach dem Ende des Spanischen Bürgerkrieges schaut die Welt erneut zu, wie faschistische Truppen soziale Alternativen zur herrschenden Gewalt niederschießen. Erneut werden die Kämpfer*innen für Freiheit und Menschenrechte kriminalisiert und wer heute die PKK verbietet, hätte damals auch den Schießbefehl gegen die Résistance gegeben. Es ist beschämend, zu erleben, wie die deutsche Regierung sich an die Seite der Türkei und der IS-Terroristen stellt, um wirtschaftliche Interessen gegen die Menschlichkeit durchzusetzen. Jede Scheinbetroffenheit im Hinblick auf die deutsche Geschichte, auf Holocaust und zwei Weltkriege kann sich gespart werden, wenn heute geschwiegen wird. Es ist damals wie heute eine scheinheilige Ausrede, später zu behaupten, mensch hätte nicht’s geahnt. Doch seien wir ehrlich: Wer könnte von Regierungen, die dem kapitalistischen System verhaftet sind, erwarten, ihren eigenen Interessen zuwider zu handeln? So bewahrheitet sich die Dimitroff-These erneut: »Der Faschismus an der Macht ist die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.« Merkel, Erdoğan, Trump, Putin und Assad vertreten die selbe Klasse, wie einst Hitler, Mussolini, Churchill und Franco. Ihre mordenden Lakaien nennen sich SS, Falange, Nachtwölfe, Graue Wölfe oder IS. Am Ende bleibt der Angriff auf Efrîn ein Angriff auf Guernica, ein Angriff auf die Menschlichkeit, ein Angriff auf die Klasse der Lohnabhängigen dieser Welt. Nur diese dürfen später tatsächlich nicht behaupten, sie hätten nicht’s geahnt…

sagt später nicht, ihr hättet nicht’s geahnt
von folter, mord und genozid.
ihr wurdet doch gewarnt,
nicht zu singen dieses grausig lied.

wo es erklingt, es frisst der tod das sein.
egal wer mordet und wer stirbt;
die mächt’gen stimmen ein;
faschismus um die seelen wirbt.

türkei is und brd vereint
es singen gegen kurdistan;
das leben wird verneint;
auf efrîn senkt sich blut’ger wahn.

sagt später nicht, ihr hättet nicht’s geahnt
von folter, mord und genozid.
ihr wurdet doch gewarnt,
nicht zu singen dieses grausig lied.

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 13.03.2018)

scheinwelt

es ist eine scheinwelt namens realität,
für jede vernunft scheint’s seit äonen zu spät.
stumpfer wahn, der uns treibt in des alltags konsum.
für den krieg macht’s uns blind, der dem tod bringt nur ruhm.

doch der trott niemals stoppt, solang wir’s belassen,
den kampf zwischen klassen als lüge auffassen.
und wer der hilfe bedarf, blickt einsam sich um.
es gibt keine hilfe, all‘ die schreie sind stumm.

bis nach finsterstem schweigen der schleier dann fällt,
dass aus uns’rem erwachen erwächst jene welt,
wo keine scheinwelt sie ist, die realität,
weil in unseren träumen voll liebe sie lebt.

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 23.09.2017,
als mp3 downloaden: allein vertont 2019_scheinwelt_-_cd_cover_front)

ein feld von blumen

ein feld von blumen vor mir liegt,
’nen wilder vogel drüber fliegt,
ins gras sich eine katze schmiegt,
türkis im pelz ihr überwiegt.

der himmel, der ist blau und klar.
nur dies‘ moment ist grade wahr,
nicht’s was noch kommt und nicht’s was war.
doch solches glück ist mir nicht rar:

im herzen trag ich immerzu
dies bild von dir, es gibt mir ruh‘.
türkise katz‘, mein herz bist du,
mit dir geh‘ ich der zukunft zu.

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 27.06.2017,
entstand im Rahmen des Satjira-Projects (siehe »Ein Feld von Blumen«))