Tag Archiv für gegenkultur

Nischenkultur

Die Nischenkultur war wohl
noch niemals populär.
Für schön verwöhnten Ohren
taugt sie darum nicht sehr.

Sie fließt aus meiner Feder
voll Ehrlichkeit und Herz,
mit Fantasie und Tinte,
spricht auch von all dem Schmerz.

Muss deshalb nicht gefallen,
ist doch ein Teil von mir
und auch wenn mensch sie ablehnt,
bleibt sie noch länger hier.

Creative Commons CC BY-NC-ND by Tintenwolf
(geschrieben am 20.12.2020)

Blauer Samt

Blauer Samt legt sich
wie Schein über die Welt,
eine Welt des Scheins,
die den Freiheitsstern erstrebt,
die mich schreiben läßt,
da sonst nichts mir helfen kann,
in der Nische zwischen Kunst
und wildem Rausch.

So erklingt die Poesie
als Klang der mir gefällt,
als Herzschlag meines Seins,
solang‘ die Hoffnung lebt,
während blut’ge Tränen fließen,
auf Revolte irgendwann,
weil ein wilder Vogel fliegt,
dessen Schrei ich süchtig lausch‘.

Creative Commons CC BY-NC-ND by Tintenwolf
(geschrieben am 15.02.2021,
entstand im Rahmen des Satjira-Projects (siehe »Blauer Samt«))

Rezension »Deutscher Wald für deutsche Rehe«

Fast dreieinhalb Jahre ist es nun her, dass Geigerzähler seine letzte Platte »Sollbruchstellen« herausbrachte. Nun legt er mit »Deutscher Wald für deutsche Rehe« nach. Das tut er typisch für ihn mal auf ironische, mal auf psychedelische und mal auf bitter-ernste Weise. Ein zentrales Thema legt schon der Titel der Scheibe offen. Es geht um das Erstarken nationalistischer Kräfte. Aber auch eine Selbstkritik autonomer Szene, die viel zu oft in Identitätsgedünkel versinkt, steht an. Beispielsongs hierfür sind »Grunewald«, »Sein wie sie« & »Ticket to lose«. Besonders gut gefallen mir die zwei sorbischen Lieder »Ach, moja hola« und »Měj ty dobru nóc« sowie der Song »Kopfstand«. Sofort geht in meinem Kopf ein skurriles Kopfkino zur gleichnamigen Veranstaltungsreihe von Geigerzähler, Sahara B. und dem Papst an.

Geigerzähler stellt mal wieder sein ganzes Können mit der Geige unter Beweis und beschert uns einen spannenden Mix, der mich 38 Minuten bzw. 10 Lieder lang in seinen Bann schlägt. Ich freue mich, die Scheibe schon jetzt hören zu dürfen; euch sei empfohlen, sie ab kommendem Samstag, den 28.09.2019 als CD – später hoffentlich auch auf Vinyl – zu erwerben. Dann ist ab 20:00 Uhr nämlich die Record Release Party in der KvU (Storkower Str. 119, 10407 Berlin). Auch ich werde neben anderen Kolleg*innen von AbDafür! Records dabei sein. Schaut vorbei, krallt euch das Album und habt ’nen guten Abend mit uns. Wir solidarisieren uns mit den Tu mal Wat! Aktionstagen, die vom 26. zum 29.09. in Berlin stattfinden. Vielleicht kommt die Wut ja zu uns zurück und wir tun mal was…

In Zeiten wie diesen… – Zur Neuausrichtung des Tintenwolf-Projekts

Immer wieder rasen die Nachrichten dieser Tage auf mich ein und lassen mich ratlos zurück. Überall in der Welt sind konservative, nationalistische und wirtschaftsliberale Kräfte auf dem Vormarsch, die Klimaerwärmung scheint kaum noch aufzuhalten, die verschiedenen Supermächte leisten sich ein neues nukleares Wettrüsten und die Repressions- und Überwachungsapparate werden immer weiter aufgerüstet und zur Aufstandsbekämpfung scharf gemacht.1 Ob legitimer Protest gegen den G20-Gipfel in Hamburg oder die EZB-Neueröffnung in Frankfurt am Main niedergeschlagen, die freie Medienplattform linksunten.indymedia.de wegzensiert oder alternative Hausprojekte geräumt/bedroht werden,2 die Angriffe des Systems werden immer schärfer, wogegen eine progressive Opposition in weiter ferne scheint. Wo wir agieren müssten, ziehen wir uns viel zu oft in unsere herbeigeträumten Schutzräume zurück und ergeben uns unreflektiert szenigem Gehabe. Ein Zustand, den ich an dieser Stelle nicht zum ersten Mal kritisiere.3 Es kann schon als zynisch-lachhaft gelten, wie sehr CDU/CSU und AfD im Bündnis mit SPD und Grünen ihre völlig haltlose Extremismusdoktrin vorantreiben,4 wenn daneben die Unfähigkeit der progressiven Kräfte zur Organisation betrachtet wird. In Zeiten wie diesen ist mir viel zu selten nach meinem autonomen Hippie-Punk zumute, egal wie sehr mich Revolutions- und Sozialromantik doch zum Träumen anregen. Wenn uns heute in dieser Realität noch etwas gelingen soll, braucht es dringend eine neue übergreifende Form der Organisierung, die internationalistisch und klassenkämpferisch sein muss.5

Als kunst- und kulturschaffende Person tangiert mich diese Problematik natürlich auch in Bezug darauf, dass ich mir die Frage stellen muss, welchen Beitrag meine Gedichte derzeit noch leisten können. Natürlich werden sie nicht gleich alle aufhören, autonome Hippie-Punk-Lyrik zu sein, und wahrscheinlich werde ich auch weiterhin gerne mal in der einen oder anderen Szenelocation auftreten – ist die autonome Szene doch meine langjährige politische Heimat gewesen. Dennoch muss der Schwerpunkt unweigerlich auf einen (internationalistischen) Klassenkampf verschoben werden, wenn die Gedichte diesen Zeiten gerecht werden sollen. Dies wird optimaler Weise nicht nur in den Texten sondern auch in Kooperationspartner*innen und Zielpublikum deutlich. Um dies zu erreichen, plane ich künftig zweigleisig zu fahren. Ich will mich weiterhin bei ab dafür! records engagieren und mich zugleich bei RedHeadMusic einbringen, um auch im Bereich der Kunst als verbindendes Element zwischen verschiedenen progressiven Strömungen zu wirken. Auch hier glaube ich, dass wir nur als Einheitsfront stark sein können; dass wir trennende Narrative zwischen Marxist*innen und Anarchist*innen überwinden müssen;6 dass wir in Zeiten wie diesen nur in (internationaler) Kooperation zu einer progressiven Opposition gegen die herrschenden Umstände werden können.

Alle Macht den Kommunen!
Keine Macht für irgendwen!

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Sechs Thesen zur Bewegung

Während meines Aufenthalts auf Kuba im März diesen Jahres saß ich am 12.03.2017 abends mit einem Genossen der Interbrigadas zusammen. Im Laufe unseres Gesprächs kristallisierten sich sechs Thesen dazu heraus, wie eine linke Bewegung funktionieren könnte, die ich später in meinem Tagebuch ausformulierte. Ich habe nun beschlossen, diese Gedanken zu teilen, um ihnen eine Chance zu geben, gelesen und weiter durchdacht zu werden:

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Wütend in Hamburg – G20 Mobi-Song

Die Musikkombos Hörzu! und Monoreim haben ’nen Song gemacht, um zum Protest gegen den G20-Gipfel im kommenden Juli in Hamburg zu mobilisieren. Das möchte ich unterstützen und teile deshalb mal den Song ;)
Kommt im Juli nach Hamburg den G20-Gipfel versenken.

abgeschrieben: Freiheit für Grup Yorum!

In der Nacht vom 23. auf den 24. November wurden in der Türkei nun auch acht Mitglieder der linken Band Grup Yorum durch die Schergen des faschistischen AKP-Regimes verhaftet. Da ich selbst durch Kunst wirke und ich die Musik von Grup Yorum sehr schätze, hat mich diese Nachricht besonders betroffen gemacht. In der Zeitung junge Welt fand mein Freund Michael Streitberg sehr gute Worte zu diesen Vorgängen:

Vor der ausufernden Repres­sion und dem Abbau demokratischer Rechte in der Türkei ist schon lange niemand mehr sicher. In der Nacht zum Donnerstag bewies die Staatsmacht einmal mehr, dass auch Künstler im Visier der »Säuberungsaktionen« von Präsident Recep Tayip Erdogan stehen. Wie das linke Anwaltsbüro HHB über Twitter mitteilte, wurden acht Mitglieder der Band Grup Yorum im von dieser genutzten Idil-Kulturzentrum in Istanbul verhaftet.

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Hausprojekt Wilder Vogel

Nun ist es soweit. Ein wilder Vogel ist geschlüpft und bereitet sich langsam aber sicher darauf vor, seine Schwingen auszubreiten und in die Welt zu fliegen…

Wie ich vor ca. einem Jahr – am 29.09.2015 im Rahmen eines Beitrags zur Gentrifizierung in jenem Viertel, in dem ich wohne, geschrieben habe, bin ich mit einigen anderen losgegangen, um den Weg zu einem Hausprojekt zu beschreiten. Wie schon damals erkannt, ist dies natürlich ein langer und oft anstrengender Weg, aber es ist auch schön, mit lieben Menschen in einem solchen Projekt/Prozess zusammen zu wachsen, und auch die politische Basis, die daraus entstehen kann, halte ich für echt wichtig. Einer der Punkte, die für mich besondere Bedeutung haben, ist der Wunsch, als Hausprojekt – eher in den Randbezirken der Stadt, dort, wohin der Großteil der prekarisierten Lohnabhängigen verdrängt wurde und weiter verdrängt wird – auch eine Außenwirkung abseits von linksautonomer Szene zu entfalten. Auch das wird nicht einfach werden. Aber zwischen den Yuppie-Häusern im F’Hain sehe ich extrem wenig Perspektiven, die Menschen zu erreichen, die wir mit unseren Ideen und Kämpfen erreichen müssen. Ich fühle mich als Kind der Rigaer Str. und der dortigen linksautonomen Gegenkultur und glaube dennoch, dass wir unseren Weg aus der Szene heraus und hinein in die Massen tragen müssen, wenn wir etwas erreichen wollen. Ein Punkt, der mir an einem entstehenden Selbstverständnis für unsere Gruppe zum Beispiel wichtig ist, ist der, dass wir uns zwar gegen Kapitalismus, Dominanz, autoritäre/hierarchische Strukturen, Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und andere Formen von Diskriminierung positionieren, dem jedoch – abgesehen von einer strikten Ablehnung von Neonazis und Faschist*innen sowie gegenüber jeder Art von Ausbeutung und Repression – nicht durch Ausgrenzung sondern durch Debatten und ein konsequentes Vorleben begegnen wollen. So, wie die Menschen, die wir erreichen wollen, großteils sicher voll von Vorurteilen, sexistischen Klischees und dem ganzen Mist sind, steckt das alles auch zumindest ein wenig in uns, sodass es anmaßend wäre, wenn wir sie bei der ersten bescheuerten Bemerkung vor die Tür setzen. Eine Chance, sie zu erreichen, würden wir somit ebenfalls zuschlagen. Damit umzugehen ist und wird sicher auch für uns nicht leicht und doch gilt es genau diese Menschen zu erreichen, wenn wir die Welt verändern wollen.

Ein weiterer Aspekt ist und bleibt natürlich der Wunsch, sich aus der Abhängigkeit von steigenden Mietpreisen zu befreien und den Kopf für sinnvolle politische Projekte frei zu bekommen. Wenn Wohnraum immer weiter privatisiert und einer kapitalistischen Verwertung wird, sehe ich es als notwendig, dem entgegenzuwirken. Auch dies ist eine Funktion solcher Hausprojekte und der Zusammenarbeit mit dem Mietshäuser Syndikat. Ein Verein unter dem Namen »Hausprojekt Wilder Vogel« ist nun gegründet und ich bin gespannt, was als nächstes kommt. Künftig wird es unter der gleichnamigen Kategorie auf diesem Blog auch weitere Beiträge zur Entwicklung des Hausprojekts geben. Der Kampf geht weiter…

abgeschrieben: Schlechte Recherche oder dreiste Lügen – die Medien zur Räumung der Kadterschmiede und weiterer Räumlichkeiten in der Rigaer94

von https://wildvogelclan.wordpress.com/2016/06/23/rigaer94-medienstimmen/

An einer Wand im Berliner Friedrichshain steht ein kleiner Reim geschrieben. Er lautet: »Wer Fernseh’n schaut und das noch glaubt, der wurde des Verstand’s beraubt.« Tatsächlich sind die Medien mal wieder dabei, sich die Mäuler zu zerreißen. Ob es sich bei ihren Berichterstattungen zu den gestrigen Vorgängen in der Rigaer94 um schlechte Recherche oder dreiste Lügen handelt, ist schwer zu beantworten aber auch nicht so wichtig. Tenor ist: Es sollten Bauarbeiten wegen mangelnden Brandschutzes vor den Bewohner*innen geschützt und nicht bewohnte Fläche als Wohnraum für Flüchtlinge geräumt werden. Dabei wurde am Rande noch eine Pistole gefunden. Ein eindeutiger Verstoß gegen das Waffengesetz?? Mitnichten! Was die Medien vielfach verschweigen, ist, dass es sich gar nicht um eine echte Pistole sondern um eine Schreckschusspistole handelt. Der Erwerb, Besitz und Transport eben solcher ist ab dem 18. Lebensjahr erlaubt und stellt keinen Verstoß gegen das Waffengesetz dar. Kann es also seien, dass für Menschen, die in der Rigaer Straße leben, andere Gesetze gelten? Was bedeutet dann noch das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit? Weiterlesen

Sollbruchstellen im Gefahrengebiet

Eine Woche bevor wir uns an der neuen Platte der Früchte des Zorns erfreuen können, gibt’s ab heute mit »Sollbruchstellen« eine sehr gelungene Scheibe von Geigerzähler auf die Ohren. Deren Record Release Party findet nämlich ab 20:00 Uhr in der Rigaer 94 statt. Ich durfte heute schonmal Probe hören, um mit diesem Post nun Appetit zu machen, heute Abend vorbei zu kommen und sich die CD zu schnappen.

Inhaltlich startet die Scheibe mit dem verschwenderischen Umgang mit Ressourcen, welchen der Kapitalismus an den Tag legt und der im titelgebenden Song angeprangert wird. Mit »Leichen im Keller« folgt ein Titel, der zur Selbstreflexion anregt. Anschließend kommt einer der gefühlten Schwerpunkte des Albums… »Fettchenhauers Alptraum« und »Subsubsub« thematisieren den Gewerkschaftskampf der FAU gegen Fettchenhauer und seine »Mall of Shame«. Das macht mir Lust auf die Zeit der Kirschen zum Thema Arbeit & Gewerkschaft am 01.06.2016 in der Bunten Kuh, bei der neben Alex und anderersaits hoffentlich auch Geigerzähler dabei sein wird. Weiter geht’s mit »Auf der Reichsflugscheibe zum Frieden« und »Is Peggy da?«, die die Verschwörungstheoretiker*innen von Pegida, AFD und Co. auf’s Korn nehmen, und dem neuvertonten, alten Track »Klarstellung« von der vergangenen Kombo Köterkacke.

»Das Land, das es nicht mehr gibt« finde ich persönlich wahnsinnig stark. Das bringt Gefühle rüber, die ich selber kenne, wenn ich über die DDR nachdenke und die, soweit ich weiß auch viele andere teilen, die einen Teil ihres Lebens (und sei er auch noch so kurz) dort verlebt haben. Die letzten drei Lieder behandeln dann (mehr oder weniger) linke Subkultur. »Glanz und Elend« nimmt dabei eine umfassendere Betrachtung ein, wogegen »Gefahrengebiet« die ganz alltägliche Scheisze, die zur Zeit in der Rigaer Str. passiert, ins Zentrum rückt. »Drei ältere Herren« kann als Aufforderung verstanden werden, »mit offenem Herzen und immer fragend vorwärts« zu gehen, um nicht irgendwann als altlinke Sektierer*innen im eigenen Stumpfsinn unterzugehen. Ein fettes Danke für diese auch musikalisch eingängige Platte, in der Geigerzähler uns mal wieder zeigt, was er mit Worten und der Geige so alles drauf hat.

Übrigens werde ich spontan auch dabei sein und ein paar Gedichte zum Besten geben. Freue mich auf alle, die mitfeiern wollen. Die Erlöse gehen passend zu den Inhalten an die FAU und die Antirepressionskasse im Gefahrengebiet.