Tag Archiv für krise

In Zeiten wie diesen… – Zur Neuausrichtung des Tintenwolf-Projekts

Immer wieder rasen die Nachrichten dieser Tage auf mich ein und lassen mich ratlos zurück. Überall in der Welt sind konservative, nationalistische und wirtschaftsliberale Kräfte auf dem Vormarsch, die Klimaerwärmung scheint kaum noch aufzuhalten, die verschiedenen Supermächte leisten sich ein neues nukleares Wettrüsten und die Repressions- und Überwachungsapparate werden immer weiter aufgerüstet und zur Aufstandsbekämpfung scharf gemacht.1 Ob legitimer Protest gegen den G20-Gipfel in Hamburg oder die EZB-Neueröffnung in Frankfurt am Main niedergeschlagen, die freie Medienplattform linksunten.indymedia.de wegzensiert oder alternative Hausprojekte geräumt/bedroht werden,2 die Angriffe des Systems werden immer schärfer, wogegen eine progressive Opposition in weiter ferne scheint. Wo wir agieren müssten, ziehen wir uns viel zu oft in unsere herbeigeträumten Schutzräume zurück und ergeben uns unreflektiert szenigem Gehabe. Ein Zustand, den ich an dieser Stelle nicht zum ersten Mal kritisiere.3 Es kann schon als zynisch-lachhaft gelten, wie sehr CDU/CSU und AfD im Bündnis mit SPD und Grünen ihre völlig haltlose Extremismusdoktrin vorantreiben,4 wenn daneben die Unfähigkeit der progressiven Kräfte zur Organisation betrachtet wird. In Zeiten wie diesen ist mir viel zu selten nach meinem autonomen Hippie-Punk zumute, egal wie sehr mich Revolutions- und Sozialromantik doch zum Träumen anregen. Wenn uns heute in dieser Realität noch etwas gelingen soll, braucht es dringend eine neue übergreifende Form der Organisierung, die internationalistisch und klassenkämpferisch sein muss.5

Als kunst- und kulturschaffende Person tangiert mich diese Problematik natürlich auch in Bezug darauf, dass ich mir die Frage stellen muss, welchen Beitrag meine Gedichte derzeit noch leisten können. Natürlich werden sie nicht gleich alle aufhören, autonome Hippie-Punk-Lyrik zu sein, und wahrscheinlich werde ich auch weiterhin gerne mal in der einen oder anderen Szenelocation auftreten – ist die autonome Szene doch meine langjährige politische Heimat gewesen. Dennoch muss der Schwerpunkt unweigerlich auf einen (internationalistischen) Klassenkampf verschoben werden, wenn die Gedichte diesen Zeiten gerecht werden sollen. Dies wird optimaler Weise nicht nur in den Texten sondern auch in Kooperationspartner*innen und Zielpublikum deutlich. Um dies zu erreichen, plane ich künftig zweigleisig zu fahren. Ich will mich weiterhin bei ab dafür! records engagieren und mich zugleich bei RedHeadMusic einbringen, um auch im Bereich der Kunst als verbindendes Element zwischen verschiedenen progressiven Strömungen zu wirken. Auch hier glaube ich, dass wir nur als Einheitsfront stark sein können; dass wir trennende Narrative zwischen Marxist*innen und Anarchist*innen überwinden müssen;6 dass wir in Zeiten wie diesen nur in (internationaler) Kooperation zu einer progressiven Opposition gegen die herrschenden Umstände werden können.

Alle Macht den Kommunen!
Keine Macht für irgendwen!

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der kahn

nachrichten stürmen auf mich ein,
was jeden tag geschieht.
nur hass und gier und tod gedeih’n,
wohin das auge sieht.

gesteuert wird der alte kahn,
den mensch gesellschaft nennt,
in krieg und krise, stumpfer wahn,
der nur noch lügen kennt.

es heiszt, so muss es nunmal sein.
rassismus flammet auf.
statt sich von herrschaft zu befrei’n,
auf schwäch’re schlägt mensch drauf.

so rast der kahn dem abgrund zu.
die hoffnung mir vergeht.
find‘ nicht gedanke, keine ruh‘,
wenn bald der wind nicht dreht.

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 24.11.2016,
als mp3 downloaden: mit Fari 2019_scheinwelt_-_cd_cover_front)

parlamentarische scheindemokratie

zwischen meer und schroffen bergen
liegt antik ein altes land,
wo die legitimation geboren,
dessen was demokratie genannt.

so genannt und’s doch nicht ist;
nur hohle phrase, trüber schein,
wo eliten nur entscheiden;
einfach menschen hält sie klein.

ihre politik ist nichts als krise,
die nur der mächt’gen interessen kennt.
die troika gegen jene wird entsendet,
die sie ihre wiege nennt.

und die menschen sterben elend,
wo europas parlamente nehmen,
sie sollen schweigen, bloß nicht’s sagen,
leben nur noch um zu geben.

europa war nie jenes opfer
eines mächtigen titanen.
der titane ist europa,
macht alle welt zu untertanen.

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 21.09.2016)

abgeschrieben: Die Qual mit der Wahl

»Ein Diskussionspapier der North-East Antifascists Berlin, 2016«, das es auch nach der Wahl in Berlin noch sehr zu lesen lohnt:

Die Qual mit der Wahl

Es ist wieder so weit: der Wahlkampf läuft! Und für die radikale Linke* (s. Anm.) stellt sich die Frage, was sie damit anstellt. Reaktionäre und rassistische Kräfte präsentieren ihre Menschenverachtung auf Plakaten und an unzähligen Infoständen, so dass wir als radikale Linke mit der »kreativen Umgestaltung« dieser Plakate und dem Protest gegen jene Wahlkampfstände kaum hinterher kommen. Die Zeit für eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Thema »Wahlen« bleibt meist nur bei abendlichen Tresengesprächen. Doch auch im Zusammenhang mit der Frage nach gesellschaftlicher sozialrevolutionärer Veränderung muss die Rolle von Parteien und Parlamenten diskutiert werden.

Gibt es eine Dialektik von Reform und Revolution? Können und sollten revolutionäre Kräfte an bürgerlichen Wahlriten teilnehmen? Und wie sieht unser pragmatisches Verhältnis zu bestehenden linken Parteien/ parlamentarischen Bündnissen aus?

Mit diesem Text wollen wir eine linksradikale Position zum ganzen Wahlspektakel formulieren und zum Nachdenken und Diskutieren anregen. So divers die bestehenden Meinungen sind, so dringend notwendig ist eine Auseinandersetzung darüber, wenn proto-faschistische Parteien wie die »Alternative für Deutschland« (AfD) Wahl für Wahl in weitere Parlamente einziehen und die fortschreitende Faschisierung gesellschaftlicher Diskurse und die weitergehende Etablierung rechter Machtteilhabe in Parlamenten, Ausschüssen, etc. kein Ende zu nehmen scheint. Dieses Papier entsteht im Kontext der bevorstehenden Berliner Abgeordnetenhaus- und Bezirkswahlen im September 2016, der bevorstehenden Bundestagswahl 2017, sowie zahlreichen weiteren lokalen und regionalen Wahlen.

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abgeschrieben: Wer sind hier die Erpresser*innen?

von https://wildvogelclan.wordpress.com/2015/06/29/europaeische-erpresserinnen/

Erpresser*innen schimpft mensch sie jetzt überall. Wen wohl? Natürlich, »Die Griechen«. Das ist die Reaktion der sogenannten Demokrat*innen, wenn doch mal demokratische Instrumente wie eine Volksabstimmung angewandt werden, um die Zukunft eines Landes zu bestimmen.

Freilich ist dieser Weg von Alexis Tsipras und Gianis Varoufakis wohl ebenso wenig im Sinne einer Angela Merkel und ihres Bankenklientels, wie auch in dem anderer herrschender Eliten. Es war doch eigentlich schön, Griechenland durch die Troika in einem dauerhaft anwährenden Krisenzustand regieren zu können. Immer unter dem Damoklesschwert, den Euro als Währung zu verlieren, sollte die griechische Regierung gefügig gemacht werden, dem Treiben der Kapitalistenklasse nachzugeben. Dabei hatte diese Politik zwei Seiten. Zum einen sollte Griechenland ganz offensichtlich kaputt gespart werden. Das hat dann auch einen ganz simplen Nutzen. Um so kaputter die griechische Wirtschaft ist, umso abhängiger ist sie auch von ihren vermeintlichen »Retter*innen«. Aber warum steht hier das Wort vermeintlich??? Wohl deshalb, weil zum anderen die Rettung Griechenlands nie Teil des Plans der herrschenden Klasse war. Schon alleine, weil diese den Zustand der Krise und damit die Beherrschbarkeit des Landes beendet hätte. Stattdessen flossen die Gelder, welche durch immer neue Sparmaßnahmen begleitet wurden, nur ganz kurz durch Griechenland, bevor sie zumeist europäischen Banken zugute kamen. Praktisch ist, dass sich im Sinne der Krise in anderen Ländern der Europäischen Währungsunion die Aufwendungen von Steuergeldern mit dieser »Hilfe« für Griechenland begründen lässt. Sprich: statt Steuergelder direkt in die Deutsche Bank fließen zu lassen, was sich sicher schlechter erklären lassen dürfte, wird die Transaktion nun unter dem Deckmantel der Hilfe realisiert.

Hierfür scheint es den Eliten dann auch recht zu sein, die Gesundheitsversorgung Griechenlands ebenso zu zerschlagen, wie jede andere soziale Absicherung. Das Leid, welche diese »Politik der Krise« in die Bevölkerung trägt, ist unlängst bekannt. Dass die SYRIZA von Alexis Tsipras nun die Regierung in Athen stellt, ist eine Folge dieser kapitalistischen Krisenpolitik der Troika. Ihr Wille, sich an Wahlversprechen zu halten, ist zwar ungewöhnlich für eine parlamentarische Regierung, aber dennoch die einzige aufrichtige, demokratische Handlungsweise, welche derzeit in Europa an den Tag gelegt wird. Der Umgang mit dieser durch einen Großteil der Medien und die Politik ist ein Schandfleck für jeden, sich als demokratisch bezeichnenden, Menschen. Die Haltung der deutschen Regierung zu dieser Thematik zeigt einmal mehr, dass es ihr nur noch um den Anschein von Demokratie gelegen ist, sie aber jedwede wirkliche demokratische Einmischung in ihren »alternativlosen«, diktatorischen Kurs als illegitim abtut.

Es ist schon traurig für die herrschenden Eliten, sollte die Bevölkerung Griechenlands nun in einem demokratischen Volksentscheid beschließen, sich nicht mehr durch die Drohung, den Euro zu verlieren, erpressen zu lassen. Jetzt bleibt zu wünschen, dass die Troika am nächsten Sonntag abgewählt wird und stattdessen ein Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur des Landes beginnen kann. Eine Wiedervergesellschaftung von Land und Produktionsmitteln, welche Griechenland unter dem Druck des Spardiktats zu Ramschpreisen verhökern musste, und ein Rückgriff auf die, in den letzten Jahren erworbenen, Fähigkeiten der Selbstorganisation können hierbei sicher dienlich sein. Womöglich könnte Griechenland eines der ersten demokratischeren Länder der neueren Geschichte werden.

Noch ein kleiner Filmtipp: »Macht ohne jede Kontrolle – Die Spur der Troika« (Die Story am 09.03.2015, https://www.youtube.com/watch?v=htxVHN_hUUQ)