Tag Archiv für widerstand

tausend kriege, tausend tote

aufruf von linksunten.indymedia.org zu einer »Gedenk- und Trauerdemonstration für die am 13.11.2015 in Paris Ermodeten & Verletzen und gegen Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Fundamentalismus und terroristische Anschläge«:

Wir rufen hiermit aufgrund der begangenen Anschläge in Paris, der vielen ermordeten und verletzen Menschen, zu einer Gedenk- und Trauerdemonstration am Sonntag den 15.11.2015 um 11 Uhr vom Alexanderplatz in Berlin zur französischen Botschaft auf. Wir wollen um 12 Uhr an der franz. Botschaft dann eine Schweigeminute für alle Opfer der Anschläge abhalten.

Wir rufen alle Menschen Berlins, alle religiösen Gemeinschaften und Verbände in Berlin, alle Antifaschist*innen, Anarchist*innen, Kommunist*innen dazu auf gemeinsam mit uns gegen Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Fundamentalismus und terroristische Anschläge friedlich zu demonstrieren.

Ich möchte diesen Aufruf noch um ein Gedicht, dass ich in der letzten Nacht zur Thematik verfasst habe, erweitern. Außerdem fordere ich die Herrschenden auf ihr System von Profitlogik, Krieg und Repression zu beenden, welches erst der Nährboden der brutalen Gewalt ist…

tausend kriege,
tausend tote;
hass wächst hier
und hass wächst dort.

akp, is & graue wölfe
sind das gleiche faschopack,
das marschiert auf deutschen straszen
als afd & npd – ganz bürgernah.

uns jedoch fehl’n alle worte,
sind gelähmt in subkultur.
die menschlichkeit weicht kalter angst.
bewegung, die bleibt aus.

nichts kann uns mehr erretten.
keine antwort gibt’s;
nur trauer hier & dort
tausend-, ja millionenfach…

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 13.11.2015)

3 rote Pfiffe

Teile der Rotzfrechen Asphaltkultur haben das Lied »3 rote Pfiffe«, welches ursprünglich von der Gruppe »die Schmetterlinge« geschrieben wurde, vertont. In Zeiten, wo Faschist*innen von NPD, AFD und Bärgida/Pegida geschützt von ihren Kamerad*innen bei der Polizei am 9.11. – dem Jahrestag der Novemberpogrome 1938 – aufmarschieren und ihre lebensverachtende Nazipropaganda von sich geben dürfen, während die Politik weiter Grenzen zieht und Abschiebungen beschleunigt, soll diese Vertonung ein Zeichen gegen Staat und Faschist*innen, sowie gegen die Gleichgültigkeit der Massen und für ein Leben ohne Nationen, Grenzen und Repression setzen.

Aufruf zur Kampagne »Support Rojava«

von http://www.support-rojava.org/aufruf-zur-kampagne/

Seit drei Jahren wird in Rojava (Nordsyrien) ein alternatives fortschrittliches Gesellschaftsmodell aufgebaut: Demokratische Selbstverwaltung in Räten, der Kampf gegen patriarchale Strukturen und der Aufbau von wirtschaftlichen Kooperativen, sind wesentliche Elemente in dem von mehrheitlich von KurdInnen bewohnten Rojava. Als es den dortigen Verteidigungskräften YPG und YPJ diesen Sommer gelang, die an die Türkei grenzende Stadt Tal Abyad vom »Islamischen Staat« (IS) zu befreien, wurde dieser dadurch von einer seiner wichtigsten Nachschublinien aus der Türkei abgeschnitten und zum ersten Mal ein größeres zusammenhängendes Selbstverwaltungsgebiet geschaffen.

Nicht nur der IS, sondern auch die Türkei sowie ihre westlichen und arabischen Verbündeten bedrohen den emanzipatorischen Aufbauprozess in Rojava. Sie hofieren islamistische Milizen in Syrien, ließen Dschihadisten ungehindert die Grenze passieren und unterstützten sie logistisch. Mit Billigung der deutschen Regierung und NATO will die Türkei eine »Pufferzone« auf syrischem Gebiet schaffen – kontrolliert von türkeifreundlichen Milizen. Dieser Puffer soll direkt zwischen den kurdischen Selbstverwaltungsgebieten liegen und damit ihre Vereinigung verhindern und die Bewegung in Rojava schwächen. Unterstützung hierfür sowie für ihr Vorgehen gegen die PKK erhoffen sie sich von den westlichen Ländern.

Das alternative Gesellschaftsprojekt in Rojava benötigt dringend internationale Solidarität. Es gibt vielfältige Möglichkeiten diese zu zeigen:
InternationalistInnen helfen beim Aufbau eines Krankenhauses in Kobanĕ, andere sammeln Geld für eine Feuerwehr oder funktionierende Stromversorgung und wieder andere haben sich den KommunistInnen des Internationalen Freiheitsbataillons angeschlossen.

Die Kampagne »Support Rojava« will über diese Aktivitäten Öffentlichkeit schaffen und die Rolle der BRD und ihrer NATO-Verbündeter im dortigen Konflikt beleuchten. Rojava zeigt, dass es Alternativen zu Krieg, Besatzung, Unterdrückung und religiösen Fundamentalismus gibt für die es sich lohnt zu kämpfen und die unsere Solidarität benötigen!

Beteiligt euch an den Aktivitäten von »Support Rojava«!

die wanne

es qualmt und stinkt
der lack schlägt blasen
drinnen lodert’s lichterloh
frisst und brennt dort alles fort
zum letzten mal ging’s blaue leuchtelicht
ist nun ganz zersprungen
so lebt es hoch das freudenfeuer
beendet der faschistenwanne zeit
am ende bleibt nur ruszgeschwärzter schrott

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 23.06.2015)

abgeschrieben: Solidarität und Kampf

Der Text ist im Original von spanischen Anarchist*innen und wurde von mir von einem Plakat abgeschrieben:

Für diejenigen, die kämpfen, ist die Solidarität nicht ein leeres Konzept, das weit entfernt ist von unseren offensiven Fähigkeiten und den Konflikten, die im Kampf selbst entstehen.

Für diejenigen, die kämpfen, ist die Solidarität nicht ein »Thema«, das nur in konkreten repressiven »Momenten« auftaucht, denn die Repression ist nicht ein »Moment«, sondern ein unvermeintlicher und permanenter Bestandteil der Mechanismen des Staates gegen jene, die rebellieren.

Für diejenigen, die kämpfen, ist die Solidarität zwischen jenen, die sich gegen das alltägliche Elend auflehnen, eine Konstante, die es ermöglicht, kämpferische Verbindungen zu kreieren und aufrecht zu erhalten, welche den Kreis der Bedrängung, die Isolierung, den Knast und/oder die Lähmung durchbrechen.

Für diejenigen, die kämpfen, geht die Solidarität über auferlegte Grenzen hinaus, mit der Absicht, sie durch die Agitation und die Aktion zu übertreten und zu zerstören.

Für diejenigen, die kämpfen, bestrebt die Solidarität, der Einsamkeit der Einsperrung ein Ende zu setzen, eine Schlacht gegen das Vergessen unserer vom Staat entführten GefährtInnen zu liefern und die Logik der Herrschaft, die versucht, sie zur Verbannung zu verurteilen, vor Augen zu führen.

Für diejenigen, die kämpfen, sucht die Solidarität sich in wahrhaftige Intention zu verwandeln, welche Gesten der Rebellion erzeugt, die unsere GefährtInnen aus den Fesseln befreien.

Für diejenigen, die kämpfen, sollte niemand alleine sein, weder im Knast noch im Gefängnis unter offenem Himmel, in dem wir leben.

Für diejenigen, die kämpfen, bleibt alles noch zu entscheiden, bleibt alles noch zu tun. Ergreifen wir die Initiative…

Für alle GefährtInnen, die mit Ungestüm weiterhin auf die Zerbrechung aller Ketten setzen. Die Fortführung des Kampfes geht an jedeN einzelneN, an alle, bis keine Mauer mehr aufrecht steht.

Viva la anarquía / Es lebe die Anarchie.

 

* Wörter von einigen anarchistischen GefährtInnen, die im Dezember 2014 in der sogenannten »Operation Pandora« im Spanischen Staat entführt wurden. Der Text wurde vor den Verhaftungen geschrieben.

abgeschrieben: Wer sind hier die Erpresser*innen?

von https://wildvogelclan.wordpress.com/2015/06/29/europaeische-erpresserinnen/

Erpresser*innen schimpft mensch sie jetzt überall. Wen wohl? Natürlich, »Die Griechen«. Das ist die Reaktion der sogenannten Demokrat*innen, wenn doch mal demokratische Instrumente wie eine Volksabstimmung angewandt werden, um die Zukunft eines Landes zu bestimmen.

Freilich ist dieser Weg von Alexis Tsipras und Gianis Varoufakis wohl ebenso wenig im Sinne einer Angela Merkel und ihres Bankenklientels, wie auch in dem anderer herrschender Eliten. Es war doch eigentlich schön, Griechenland durch die Troika in einem dauerhaft anwährenden Krisenzustand regieren zu können. Immer unter dem Damoklesschwert, den Euro als Währung zu verlieren, sollte die griechische Regierung gefügig gemacht werden, dem Treiben der Kapitalistenklasse nachzugeben. Dabei hatte diese Politik zwei Seiten. Zum einen sollte Griechenland ganz offensichtlich kaputt gespart werden. Das hat dann auch einen ganz simplen Nutzen. Um so kaputter die griechische Wirtschaft ist, umso abhängiger ist sie auch von ihren vermeintlichen »Retter*innen«. Aber warum steht hier das Wort vermeintlich??? Wohl deshalb, weil zum anderen die Rettung Griechenlands nie Teil des Plans der herrschenden Klasse war. Schon alleine, weil diese den Zustand der Krise und damit die Beherrschbarkeit des Landes beendet hätte. Stattdessen flossen die Gelder, welche durch immer neue Sparmaßnahmen begleitet wurden, nur ganz kurz durch Griechenland, bevor sie zumeist europäischen Banken zugute kamen. Praktisch ist, dass sich im Sinne der Krise in anderen Ländern der Europäischen Währungsunion die Aufwendungen von Steuergeldern mit dieser »Hilfe« für Griechenland begründen lässt. Sprich: statt Steuergelder direkt in die Deutsche Bank fließen zu lassen, was sich sicher schlechter erklären lassen dürfte, wird die Transaktion nun unter dem Deckmantel der Hilfe realisiert.

Hierfür scheint es den Eliten dann auch recht zu sein, die Gesundheitsversorgung Griechenlands ebenso zu zerschlagen, wie jede andere soziale Absicherung. Das Leid, welche diese »Politik der Krise« in die Bevölkerung trägt, ist unlängst bekannt. Dass die SYRIZA von Alexis Tsipras nun die Regierung in Athen stellt, ist eine Folge dieser kapitalistischen Krisenpolitik der Troika. Ihr Wille, sich an Wahlversprechen zu halten, ist zwar ungewöhnlich für eine parlamentarische Regierung, aber dennoch die einzige aufrichtige, demokratische Handlungsweise, welche derzeit in Europa an den Tag gelegt wird. Der Umgang mit dieser durch einen Großteil der Medien und die Politik ist ein Schandfleck für jeden, sich als demokratisch bezeichnenden, Menschen. Die Haltung der deutschen Regierung zu dieser Thematik zeigt einmal mehr, dass es ihr nur noch um den Anschein von Demokratie gelegen ist, sie aber jedwede wirkliche demokratische Einmischung in ihren »alternativlosen«, diktatorischen Kurs als illegitim abtut.

Es ist schon traurig für die herrschenden Eliten, sollte die Bevölkerung Griechenlands nun in einem demokratischen Volksentscheid beschließen, sich nicht mehr durch die Drohung, den Euro zu verlieren, erpressen zu lassen. Jetzt bleibt zu wünschen, dass die Troika am nächsten Sonntag abgewählt wird und stattdessen ein Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur des Landes beginnen kann. Eine Wiedervergesellschaftung von Land und Produktionsmitteln, welche Griechenland unter dem Druck des Spardiktats zu Ramschpreisen verhökern musste, und ein Rückgriff auf die, in den letzten Jahren erworbenen, Fähigkeiten der Selbstorganisation können hierbei sicher dienlich sein. Womöglich könnte Griechenland eines der ersten demokratischeren Länder der neueren Geschichte werden.

Noch ein kleiner Filmtipp: »Macht ohne jede Kontrolle – Die Spur der Troika« (Die Story am 09.03.2015, https://www.youtube.com/watch?v=htxVHN_hUUQ)

an ulrikes grab

ein lauer wind der weht
über frisch gepflanzte blüten,
im geiste mir ein buntes windrad dreht,
um vor angst und ohnacht micht zu hüten.

seid neununddreiszig jahren tot,
liegt ulrike hier begraben.
und der deutsche mörderstaat – verroht –
hat immernoch das sagen.

schmückt mit hohlen phrasen sich zur zier,
von freiheit und von menschenrecht;
doch folter, schändung, mord, die bracht‘ er dir,
um die menschlichkeit da steht es schlecht.

an der wang entlang flieszt mir ’ne träne
und zugleich da lach‘ ich heiter.
denn auch wenn der staat zeigt seine zähne,
weisz ich: ulrike, der kampf geht weiter.

[cml_media_alt id='4519']2015-07-24_-_18_-_an_ulrikes_grab_(05)[/cml_media_alt]

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 28.03.2015,
opencaching.de: »an ulrikes grab«,
als mp3 downloaden: mit Albino 2019_scheinwelt_-_cd_cover_front)

freiheit

es zieh’n an uns die ketten,
an dir und auch an mir.
nichts wird uns jemals retten,
wenn nicht zusammenstehen wir.

IWW & FAU,
one big union, one big fight.
komm auch du zu uns hinzu,
zum kampf, der uns befreit.

auch wenn das ziel noch fern
und der weg scheint allzu schwer,
müssen wir an uns’ren ketten zerr’n.
freiheit entsteht durch gegenwehr.

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 17.03.2015)

die maschine läuft (mit Sahara B.)

Tintenwolf:
die eu baut eine mauer
um den ganzen kontinent;
mein herz ertrinkt in trauer
für grenztote, welche niemensch kennt.

doch sie müssen drauszen bleiben;
wohlstand, der wird nicht geteilt;
mensch lässt sie schnell vertreiben,
an orte, wo der tod sie dann ereilt.

Refrain: (2x)
die maschine läuft
scheinbar nichts, was sie stoppt;
wo das elend sich anhäuft,
von geld und machtgier getoppt.

Sahara B.:
In Frankfurt am Main
da wurde grad ein Turm gebaut
doch die Eröffnung groß zu feiern,
das wurde sich nicht getraut.

Zentralbank von Europa
du bist ein großes Zahnrad
und drehst dich als Teil der Troika
gleich neben dem Fiskalpakt.

Ref. (2x)

Tintenwolf:
doch wenn mensch sich wehrt,
dann schlägt die knüppelgarde zu;
wo gewalt und herrschaft wird verehrt,
drückt das recht die augen zu.

aber was heiszt hier denn recht?
das wird im begriff doch schon negiert.
mir wird echt schlecht,
wo all die willkür regiert.

Ref. (2x)

Sahara B.:
Ihr sagt: »In Freihandel steckt das Wort Freiheit«
doch frei wovon und frei wozu?
bei Wachstum, Handel, Sicherheit
bleiben für Menschen Grenzen zu.

Und ich kann das vielleicht nachvollziehn,
doch fehlt mir das Verständnis,
was bleibt ist die Erkenntnis,
dass ich ein Handelshemmnis bin.

Ref. (2x)

Tintenwolf:
die macht expandiert
durch kapital und krieg;
wo sie einmarschiert,
findet hass nur den sieg.

waffen schaffen keinen frieden,
sie schaffen einfluss und geld.
freiheit und liebe erliegen,
wenn terror einzug hält.

Ref. (2x)

Sahara B.:
Und willst du etwas ändern, dann
fang bei dir selber an,
lass das Gras tiefe Wurzeln schlagen,
beginne zu träumen und zu fragen.

Geh raus und lebe
und lache und weine und liebe,
sei ein Teil des Systems
– in Form von Sand im Getriebe.

Refrain: (2x)
die maschine produziert,
so lange, wie ihr funktioniert
und wer sich dem system verweigert
wird von der arge zwangsversteigert.
es ist der mensch, der hier verliert.
doch dieser zustand provoziert
und habt ihr das erstmal kapiert,
wird die maschine sabotiert.

The future is still unwritten…

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze & Sahara B.
(geschrieben am 12.02.2015)

abgeschrieben: Jede*r für sich & alle gegen alle – Identität statt Revolte…

von https://wildvogelclan.wordpress.com/2015/06/01/alle-gegen-alle/

Es gibt wohl kaum einen Ort, an welchem mensch heutzutage leichter anecken kann, als in den Zusammenhängen einer Szene, die mit sich selbst um ihre politische Berechtigung kämpft. Und mit der ist es nicht mehr weit her, wenn Gender, die Position gegenüber Israel und die Frage der veganen Ernährung wichtiger werden, als der Kampf gegen Herrschaft und Kapital. Um letzteren ging es früher. Da gab es noch eine politische Berechtigung. Heute verkommt er mehr und mehr zur Phrase. Wir schaffen uns eine Seifenblase mit zumeist coolem kulturellem Angebot, ein paar Folkloredemos mit recht radikalen Sprüchen, denen keine Taten mehr folgen, und jeder Menge interner Animositäten und Feindschaften. Ob ein Mensch sich links fühlen darf, hängt oft genug nur davon ab, was sie*er isst, wie mensch zu Libertär- oder Autoritärsozialismus steht, ob die Solidarität Israel oder Palästina gilt und welche Privilegien die eigene Geburt sichert. Jepp, auch die Geburt ist in der Szene wichtiger geworden als wirkliche Taten, wenn es z.B. in einem Lied heißt, dass mensch kotzen müsse, wenn sie das Wort Freiheit aus Männermündern höre.

Wir haben also diese Seifenblase und in der lebt es sich auch ganz schön, wenn mensch erst die richtige Gruppe mit den gleichen auf sich bezogenen Vorstellungen gefunden hat. Nach außen und damit in den Rest der Szene hinein lässt es sich mit Beschuldigungen des Speziesismus, des Antisemitismus, des Sexismus etc. wunderbar abgrenzen. Es kann das eigene »revolutionäre« Dasein genossen werden. Wirklich geschehen tut dann nichts mehr. Wir verkommen in Sektierereien. Wie sollen wir auch Kraft für politische Kämpfe entwickeln, wenn wir einander mehr hassen lernen, als den Klassenfeind? Wir sind genauso individuell vereinzelt, wie die herrschende Klasse uns haben will, unsere Demonstrationen dem Etablissement weit weniger gefährlich und unbedeutender, als die aus dem Lager der Faschist*innen. Nichteinmal zu Großereignissen wie G7 schaffen wir es noch, angemessen zu mobilisieren, ohne in zahlreiche Splittergruppen zu verfallen.

Zu diesem auf die eigene Identität fixierten Szenedasein passt es dann auch, dass Mobilisierungen schon vielfach daran scheitern, dass wir uns lieber in unserer Seifenblase aufhalten und jede Menge Argumente finden, uns nicht aktiv machen zu müssen. »Bringt doch sowieso nichts.«, »Habe mit meinem eigenen Kram zu tun.« oder »Mir sind andere Kämpfe wichtiger.« (Womit dann zumeist eine Streiterei um eines der eingangs erwähnten szenezerreißenden Themenfelder gemeint sind.)

Und noch ein Punkt: nicht nur, dass wir uns intern schwächen, sind wir auch weiter denn je davon entfernt, Menschen außerhalb des direkten Szeneumfeldes zu erreichen. Wie sollen wir dies auch tun, wenn wir ihnen nicht mehr erklären, warum wir Handlungen und/oder Äußerungen als sexistisch oder rassistisch empfinden, sondern ihnen die Anschuldigung ohne Möglichkeit einer klärenden Debatte ins Gesicht klatschen. Hier geht es scheinbar mehr um das Gefühl der eigenen moralischen Überlegenheit und damit der Beweihräucherung einer Identität, als darum, etwas bei den Menschen zu bewegen. Damit bauen wir nicht nur Grenzen zwischen den Menschen, statt diese einzureißen, indem wir uns moralisch über sie zu erheben versuchen, reproduzieren wir auch hierarchische Strukturen, die es für eine freiere Welt eigentlich zu überwinden gilt.

Ist dies ein Angriff auf unsere eigene Szene? Nein, es ist ein Anstoß zur Debatte. Die Szene und ihre Sub-/Gegenkultur ist eine wundervolle Errungenschaft, die aufzeigen kann, wofür und wogegen es sich zu kämpfen lohnt. Auch queere Themen, Animal Liberation und Ansätze der verschiedenen Utopien können und sollten hier kritisch debattiert und erprobt werden. Unsere Arbeit kann Menschen erreichen, ob auf der Straße oder in unseren Projekten. Sie kann uns mit Revolutionsromantik Kraft und Rückhalt geben. Doch sie kann schon aus einer progressiven, revolutionären Perspektive heraus kein Selbstzweck sein.

Unzählige neue Kriege erschüttern die Welt, Europa schottet sich gegen das Leid der Welt ab, Überwachung und Kontrolle nehmen immer dystopischere Züge an, die Umwelt geht zu Grunde und faschistische und fundamentalistische Gruppen bieten immer mehr Menschen einfache Lösungen für die komplexen Probleme unserer Welt an. Was können wir derzeit dagegen setzen? Nichts – dazu müssten wir erst einmal zusammenkommen und hierzu wiederum ist es höchste Zeit für eine kritische Selbstreflexion.