Die Propaganda eines autoritären Regimes

Woran muss ich denken, wenn Anwält*innen von Cops geschlagen werden, weil sie die Rechte ihrer Mandant*innen einfordern; woran, wenn sie vermummt und mit gezogener Waffe gegen Oppositionelle vorgehen; woran, wenn friedliche Straßenfeste mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray attackiert werden; woran, wenn kritische Journalist*innen für ihre mutige Berichterstattung um Leib und Leben fürchten müssen? Ich denke an autoritäre Regime wie die Türkei unter einem Faschisten Erdoğan. Ein erster Gedanke, der sicher nicht falsch ist.

Um ihre Sicherheit muss eine Marietta Slomka vom »ZDF heute journal« sicher nicht fürchten, wenn sie vorschlägt, den G20-Gipfel doch künftig nicht im »demokratischen Europa« sondern in solch autoritären Regimen abzuhalten, damit der sogenannte »Schwarze Block« dort mal richtig was auf den Deckel bekommt.1 Höre ich da eine Bewunderung für die gewalttätige Unterdrückung von Oppositionellen heraus?

Beginnen wir nochmal von Vorne: spätestens seit dem G20-Gipfel in Hamburg in den letzten Tagen muss ich bei den eingangs aufgezählten Bildern an das »demokratische Europa« denken.2 Wie gut muss eine Propagandamaschinerie funktionieren, wenn sie es dennoch schafft, die Menschen glauben zu machen, die Gewalt gehe von vermeintlich unpolitischen, gewaltbereiten »Chaot*innen« aus, die vermummt durch die Straßen ziehen, um Cops mit Steinen zu bewerfen und Autos anzuzünden? Solch eine Propaganda stellt mit Absicht die Gewaltfrage vollkommen falsch. Gewalt geht in der Bundesrepublik Deutschland zuerst einmal vom Staate aus. Das ist sogar grundgesetzlich verbürgt und wird als Gewaltmonopol des Staates argumentiert.3 Das diese Situation kritisch und illegitim ist, habe ich an anderer Stelle bereits analysiert.4 Das Problem ist ein gewalttätiges System, das gerne als »politische Mitte« deklariert wird, das Nahrungsmittelspekulationen ermöglicht, weshalb Menschen Hungers sterben, das Kriege führt, um wirtschaftliche und geostrategische Interessen durchzusetzen, das Menschen ihrer Wohnungen beraubt und sie obdachlos macht, da sich mit Wohnraum horrende Gewinne erwirtschaften lassen, das Lohnabhängige ihrer Arbeitskraft beraubt, damit andere sich die Taschen voll stopfen können, das alljährlich zig Millionen Tiere massakriert, um sie zu Geld zu machen, das den Planeten Erde – die einzige Welt, die wir haben – ausbluten lässt.5 Das Problem ist ein gewalttätiges System, welches auch durch die G20 repräsentiert wird.

Wenn ein solches System den Gipfel dieser G20 mit einem Großaufgebot einer hoch militarisierten Polizei gegen den Protest der Menschen abschirmt, die jegliche Gesetze zu brechen bereit ist und die keine Grundrechte akzeptiert, dann ist das keine Demokratie sondern die Herrschaft der Gewalttätigeren.

Es ist Gewalt, wenn Menschen mit Wasserwerfern und Pfefferspray drangsaliert und mit Fäusten oder Knüppeln geschlagen werden, weil sie Protestcamps errichten, weil sie friedlich demonstrieren wollen und weil sie einen Gipfel der Tyrannei durch Blockaden und bunte Aktionen zu stören versuchen. Daran ändert sich nichts, wenn die Polizei bei einer Großdemo tausende Vermummte herbei redet, wo es lediglich ein paar zugereiste Vermummte aus dem EU-Ausland gibt, die die deutschen Gesetze nicht unbedingt kennen – nicht in jedem Land wird die Versammlungsfreiheit derart repressiv eingeschränkt wie hierzulande und ein Vermummen kann gegenüber einem aggressiven Überwachungsapparat wie dem der Polizei durchaus als legitimes Mittel des Selbstschutzes gelten – und die nach der Aufforderung ihre Vermummung aufgeben. Das die Polizei dann trotzdem gegen eine angemeldete Demonstration vorgeht, die nun alle Auflagen erfüllt, ist nichts anderes als ein Skandal, der in den Konzern- und Systemmedien freilich nicht thematisiert wird.6

Dass sich die Menschen zu diesem Zeitpunkt das erste Mal mit Gegengewalt wehren, dass sie es trotz aller Schikanen und der Versuche von Polizei- und Diplomatenautos in Menschenmengen hinein zu rasen, wie ich es nur aus Aufnahmen vom Anschlag am berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 und jenem in Nizza am 14. Juli 2016 kenne, ist verständlich, legitim und hat etwas mit der Verteidigung von Demokratie gegen eine offen terroristische Diktatur zu tun.7

Als ich auf der gestrigen Demo am 08.07.2017 in Hamburg die Polizist*innen, die mit Sturmhauben vermummt eine friedliche Demonstration flankierten, fragte, ob es denn stimme, was die Medien berichteten, dass die Vermummten die gewaltbereiten Chaot*innen wären, wurde ich von den Bluthunden der »Demokratie« angeblafft.

G20 Hamburg 2017 – diese Diktatur der Gewalt ist es, wie sich die Herrschenden eine Demokratie vorstellen; dieses Propagandaaufgebot von Marietta Slomka und ihren Kolleg*innen bei Bild, Tagesspiegel, Pro7 und Co. ist es, wie sich die Herrschenden ihre »Wahrheiten« herbei lügen. Ich gratuliere allen, denen es gelungen ist, sich erfolgreich gegen die Gewalt der Cops zu stellen und ihrem Hass und ihrer Kontrolle ein wenig Anarchie und Leben entgegen zu stellen. Angesichts all der Festnahmen fordere ich die Polizei auf, die illegitimen Freiheitsberaubungen zu beenden.

Ein Angriff auf eine ist ein Angriff auf alle!
Hoffnung entsteht aus Rebellion!


 

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