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Wahre Freundschaft

Mein Prof. in der Geschichtsdidaktik an der »Freien« Universität Berlin meinte einst in einem Seminar, dass mensch auch vor dem Holocaust hätte wissen können, dass ein Genozid keine gute Idee ist. Dennoch geschah dies und der Prof. wollte mit seiner Aussage auch mehr auf die Annahme anspielen, dass Menschen nicht in der Lage sind aus Geschichte zu lernen. Natürlich ziehen sie trotzdem ihre Schlüsse aus dieser. Mir zum Beispiel hat die Geschichte wie vielen anderen auch aufgezeigt, wie wichtig antifaschistisches Engagement ist. Auch lässt sich erkennen, wie es eine auf Ausbeutung und Wachstumslogik ausgerichtete Gesellschaftsordnung ist, welche immer wieder schrecklichste Gräueltaten, Diktatur und Kriege hervorbringt. Dies ist eine logische Konsequenz, dienen diese doch auf unvergleichliche Art der Gewinnmaximierung und Herrschaftssicherung. Sicher, der Krieg sollte nicht im eigenen Territorium stattfinden, aber der Aufschrei der Medien wurde ja auch nicht umsonst laut, als der Krieg, den US-amerikanische, europäische und russische Kapitalist*innen seit Jahren in Syrien befeuern, am 13.11.2015 plötzlich auch in Paris und damit tief im europäischen Herrschaftsbereich aufflammte.

Nun geht es mir aber gar nicht darum, mich nochmal zu den Anschlägen von Paris zu äußern, und ich laufe Gefahr, abzuschweifen. Zurück also zur Geschichte, aus der mensch nicht lernen aber dennoch Schlüsse ziehen kann. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan tat dies, als er in seiner Neujahresansprache »Hitlers Deutschland« zum Vorbild seiner angestrebten Präsidialdiktatur erklärte. Er zog anscheinend die Schlüsse, dass ihm das Führerprinzip und eine Gleichschaltung des Landes die Macht sichern würde, die er sich ersehnt. Um seine künftige Volksgemeinschaft von freiheitlichen und linken Bewegungen und Parteien wie der PKK und der HDP zu »säubern«, lässt er in der Osttürkei schon seit der Mitte des Jahres 2015 Zivilist*innen massakrieren, die von ihm und seinen Anhänger*innen als Terrorist*innen diffamiert werden.

In Deutschland kann mensch sich geschmeichelt fühlen, wenn Erdoğans »Demokratieverständnis« deutsche Geschichte zum Vorbild nimmt und damit eindrucksvoll beweist, dass sich Geschichte immer wieder wiederholen kann. Und mal ehrlich, es ist ja nicht so, dass sich hierzulande nun zurückgelehnt werden könnte, um zu behaupten, aber in Deutschland hätte mensch ja doch gelernt. Dazu sind die Verquickungen deutscher und türkischer Politik zu eng. Immerhin fließen auf Betreiben der BRD Gelder der EU an die Türkei, damit diese die Flüchtlinge, welche vor europäischen Kriegen in Syrien und ganz Nahost sowie vor der kapitalistischen Ausbeutung in Afrika fliehen, auffängt und deren Flucht nach Europa somit vorzeitig unterbindet. Auch eine Aufnahme in die EU ist der Türkei nun erneut in Aussicht gestellt und vom Genozid bedrohte Kurd*innen dürfen nicht auf ein Asyl in Europa hoffen, solange jenes Land, welches sie nun wie einst auch die Armenier*innen auszurotten trachtet als »sicheres Herkunftsland« deklariert ist. Die PKK als antifaschistischer Widerstand in der Türkei ist auch in der BRD verboten.

Wahre Freundschaft verbindet die deutsche Regierungsclique um Angela Merkel jedoch nicht nur mit den Faschist*innen um Erdoğan, sondern auch mit der polnischen Junta eines Jarosław Kaczyński und einer Beata Szydło, welche zur Zeit damit beschäftigt sind, ihr Land von allem zu reinigen, was ein parlamentarisches Regierungssystem überhaupt an demokratischen und pseudodemokratischen Instrumentarien mit sich bringt. Auch hier werden zuerst die staatlichen Medien und Organe auf Linie gebracht, bevor künftig – wie in der Türkei – mit aller Härte gegen die Stimmen der Opposition vorgegangen wird. Hier scheint mit deutschem Segen eine totalitäre Diktatur zu entstehen, welche ihr Vorbild im Ungarn eines Viktor Orbán hat. Bei einem Blick auf den andauernden Ausnahmezustand, welcher den französischen Präsidenten François Hollande mit autoritären Sonderbefugnissen ausstattet, und der von AFD, CDU/CSU und NPD polarisierten Stimmung in der BRD kann es Angst und Bange werden, wie schnell es auch hierzulande kippen könnte.

Natürlich gehören in die Liste Merkels »demokratischer« Freund*innen auch noch die Ukrainer Petro Poroschenko und Arsenij Jazenjuk, deren faschistisches Regiment Asow unter der SS-Symbolik der »Schwarzen Sonne« im Donbass wütet und dort europäische Werte gegen das böse Russland verteidigt, sowie die Königsfamilie von Saudi-Arabien, welche das Land in den Klauen einer Absoluten Monarchie gefangen hält. Letztere unterstützt nicht nur den IS, sondern lässt genau wie dieser Menschen wegen Nichtigkeiten auspeitschen, enthaupten oder steinigen. Saudi-Arabien ist neben der Türkei aber auch ein wichtiger Verbündeter gegen das syrische Assad-Regime und damit für die angebliche Verteidigung von Menschenrechten. Das ist nicht zynisch, sondern einfach Politik in der eingangs beschriebenen Gesellschaftsordnung. Jener Gesellschaftsordnung übrigens, gegen die Widerstand zu leisten ein bedeutender Schluss aus der deutschen Geschichte sein kann.

Der Text wurde auch unter https://wildvogelclan.wordpress.com/2016/01/02/wahre-freundschaft/ veröffentlicht.