Seit vielen Jahren wird in der Baiz – einer Kneipe in Berlin – an jedem Dienstag Domino gespielt. Ab und zu bin ich dabei. Leider ist das Spiel in Deutschland sonst kaum richtig bekannt. Allenfalls kennen die Leute Domino als Kinderspiel. Dabei ziehen zwei Personen Spielsteine mit bunten Motiven und legen diese wild, kreuz und quer an.
Hier in Kuba verhält sich das anders. Domino wird überall gespielt: auf der Straße, in den eigenen vier Wänden und beim Feiern. Vier Spieler*innen sitzen an einem Tisch, immer die zwei Gegenübersitzenden bilden ein Team. Die Steine werden im Uhrzeigersinn an eines der beiden Enden einer Reihe aus Spielsteinen angelegt. Dafür muss die anzulegende Seite die gleiche Punktzahl haben wie das Ende, an welches angelegt wird. Bevor ein Tischende erreicht ist, wird gewendet. Gewonnen hat das Team, in welchem ein*e Spieler*in zuerst keinen Stein mehr hat, bzw. wenn niemand mehr anlegen kann, hat das Team mit dem*der Spieler*in mit den meisten Punkten auf der Hand verloren. Alles Weitere ist variabel. Es gibt Spielsätze, in denen die Punktzahl auf den Steinchen von null bis neun reicht, in anderen geht es nur bis sechs. Je nachdem sind mehr oder weniger Steine im Spiel und auf alle Spieler*innen kommen zehn oder sieben Steine im eigenen Stapel. Mal werden so viele Runden gespielt, bis ein Team 100 Punkte angesammelt hat, hier in La Demajagua, wo ein Standardspiel nur bis zu sechs Augen auf einer Steinchenhälfte hat, geht es bis zu 20 Punkten. Dazu werden nach einem Spiel die Punkte des Verlierer*innenteams oder auch gleich alle noch in Stapeln befindlichen zusammengezählt und zugunsten der Sieger*innen gewertet. Unzählige weitere lokale Variationen würden diesen Text nur weiter verkomplizieren. Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass Domino hier in Kuba ein relativ komplexes Spiel ist. Gegenseitig wird verfolgt, wer welchen Stein wie legt, um Schlüsse daraus zu ziehen, wer welche Zahlen auf der Hand hat. So wird versucht, die Gegner*innen auszumanövrieren und sich im Team zu helfen. Dies geschieht alleine aus Beobachtung. Sich Tipps zukommen zu lassen, ist verpönt.
Das bedeutet freilich nicht, dass Domino unkommunikativ wäre. Als ich letzte Woche am 27.09. auf der Jubiläumsfeier des Comités de Defensa de la Revolución (Komitees zur Verteidigung der Revolution), die in ganz Kuba in jedem Dorf und jeder Stadt in den Nachbarschaften vor den Haustüren gefeiert wurde, zu einer Runde Domino dazu kam, kreisten Fruchtwein und Rum und es wurde munter geplaudert. Anfangs wurde ich noch misstrauisch beäugt und gefragt, ob ich das Spiel wirklich kenne. Dann gelang es mir aber doch recht schnell, meine Mitspieler*innen von meinen Kenntnissen zu überzeugen und Einladungen in weitere Dominorunden zu bekommen. Erst gestern bin ich dem nachgekommen. Diesmal fand der Dominoabend in einer Wohnung statt. Es war gesellig wie zuvor. Sprachbarrieren waren nicht mehr so wichtig. Wenn ein Team ein Spiel verlor, machte es dem nächsten Team Platz. Die Zeit verflog und auch meine Werbung für dieses sympathische (kubanische) Spiel mit den unzähligen Regelvarianten ist hiermit vorbei. Beschäftigt euch gerne damit, es ist mehr als nur ein Kinderspiel.
(03.10.2018)
Der Artikel findet sich auf dem Blog vom Proyecto Tamara Bunke unter meinen Artikeln:
https://berichteaushavanna.de/2018/10/09/el-domino/