Heute vor 87 Jahren wurde Erich Kurt Mühsam im Alter von 56 Jahren im KZ Oranienburg von der SS ermordet. Am heutigen Tag verstarb Esther Bejarano im Alter von 96 Jahren. Beide waren antifaschistische Künstler*innen, die mich tief bewegt haben. Bis zuletzt stellten sie sich gegen die herrschenden Bestien. Noch im hohen Alter scheute es Esther Bejarano, die selbst das KZ Auschwitz überlebt hatte, nicht, sich Cops und Nazis in den Weg zu stellen, wenn sie Faschismus und Antisemitismus propagierten, wo Letzterer in der BRD nur da kritisiert wird, wo er missbräuchlich vorgeworfen wird, um Gegner*innen von der Besatzungspolitik und den Kriegen Israels zu kriminalisieren, oder wo der Vorwurf anderweitig Verwendung findet, um fortschrittliche Kräfte mundtot zu machen. Der Kampf gegen faschistische Umtriebe bleibt in einem kapitalistischen Staat sowieso jenen aufgebürdet, die bereit sind, die soziale Frage zu stellen. Von den Eliten ist kein Antifaschismus zu erwarten. All dies war Esther und Erich Zeit Lebens klar und immer wieder haben sie ihren Protest und ihren Widerstand gegen diese herrschenden Verhältnisse auch in ihre Kunst einfließen lassen, welche auch meine Gedichte immer wieder prägt. Ich empfinde tiefe Dankbarkeit für ihr Vermächtnis und die Inspiration, die sie damit für die Kunst aber auch den politischen Kampf vermitteln. Damit helfen sie, dass der antifaschistische Widerstand ebenso erhalten bleiben wird, wie der Kapitalismus den Faschismus als möglichen Überbau mit sich schleppt. Egal ob versucht wird Rote Hilfe, DKP, VVN-BdA, junge Welt oder antifaschistische Gruppen/Aktionen zu kriminalisieren, ob sie morden oder verleumden. Eines steht fest: Mir lebn ejbig – Wir leben ewig!
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Kurzbiografie: Erich Mühsam
Folgenden Text schrieb ich für das internationalistische Gedenkprojekt »Kämpfen & Gedenken« rund um mein gleichnamiges Musikvideo:
Erich Kurt Mühsam (06.04.1878-10.07.1934) wurde als Kind eines Apotheker*innen-Paars in Berlin geboren. Sein Vater war ein Vertreter jener Art, die ihren Kindern Manieren mit dem Rohrstock beizubringen versuchten – militaristisch, national-liberal und sehr autoritär. Schon früh stand für Erich fest, dass er nicht in die Fußstapfen seiner Eltern treten wollte. Er wandte sich der Literatur und der Lyrik zu, wobei er vielfach in Berührung mit anarchistischen Ideen kam. Zu seinen neuen Bekannten zählte unter anderem der Schriftsteller Gustav Landauer.
Dem Ersten Weltkrieg und der Kriegsbegeisterung – auch unter befreundeten Schriftsteller*innen wie Thomas Mann – begegnete er schnell mit Kritik und brachte sich auch aktiv in Proteste gegen den Militarismus ein, was ihm zu Kriegsende – ab November 1918 – sechs Monate Arrest in Traunstein einbrachte. Als der Versuch von Arbeiter*innen und Soldat*innen, die Macht von Militärs und Kapital mithilfe einer Revolution zu beseitigen, durch die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (kurz: SPD) und ihre verbündeten Freikorps in großen Teilen Deutschlands niedergeschossen wurde, schlossen sich Erich Mühsam und Gustav Landauer dem von Kurt Eisner ausgerufenen Freistaat Bayern an. Strömungsübergreifend engagierten sich dort Marxist*innen, Anarchist*innen und einige unabhängige Sozialdemokrat*innen für eine direkte Rätedemokratie, wie sie von den autoritären Vertreter*innen des Parlamentarismus strikt abgelehnt wurde. Kurt Eisner wurde am 21. Februar 1919 von einem Mitglied der faschistischen Thule-Gesellschaft ermordet und am 7. April wurde der Versuch unternommen, die Errungenschaften des Freistaates Bayern in der Münchner Räterepublik zu retten, die vier Wochen später durch Freikorps zerschlagen wurde. Ca. 2.000 Menschen wurden unter Schirmherrschaft der SPD ermordet und den Freikorps, aus denen sich später die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (kurz: NSDAP) und vor allem deren paramilitärische Verbände »Schutzstaffel« (kurz: SS) und »Sturmabteilung« (kurz: SA) rekrutieren sollten, der weitere Weg bereitet.
Mühsam wurde für seine demokratischen Tätigkeiten inhaftiert. In Folge seiner neuerlichen Hafterfahrung setzte er sich vehement für eine Gefangenensolidarität von der Kommunistischen Partei Deutschlands (kurz: KPD), der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands (kurz: KAPD) und der Allgemeinen Arbeiter-Union – Einheitsorganisation (kurz: AAU-E) über kommunistische Anarchist*innen bis hin zur anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter-Union Deutschlands (kurz: FAUD) in der Roten Hilfe ein. Seine bis heute wohl bekannteste Veröffentlichung aus dem Bereich der Gefangenensolidarität ist das Stück »Staatsräson« – ein Plädoyer für die Freilassung der US-amerikanischen Anarchisten Ferdinando Sacco und Bartolomeo Vanzetti, die die US-Justiz mittels fingierter Beweise verhaften und 1928 hinrichten ließ.
Mit der Machtübergabe an die NSDAP durch die kapitalistischen Eliten der Weimarer Republik wurde Erich Mühsam wie viele andere Antifaschist*innen verfolgt, verschleppt und ermordet. Im KZ Oranienburg folterten und erhängten ihn die Schergen der SS. Er hinterließ uns ein reiches Erbe an Gedichten, Bühnendramen und politischen Sachtexten. Sein Vermächtnis ist außerdem ein Appell für die Einheit der verschiedenen linken Strömungen im Kampf gegen Faschismus, Ausbeutung und Krieg.
Vgl. den Reader »Erich Mühsam. Anarchist, Antifaschist, Freigeist« der North-East Antifascists [NEA].
Jeden Abend werfe ich
(von Erich Mühsam; 1909)
Jeden Abend werfe ich
eine Zukunft hinter mich,
die sich niemals mehr erhebt –
denn sie hat im Geist gelebt.
Neue Bilder werden, wachsen;
Welten dreh’n um neue Achsen,
werden, sterben, lieben, schaffen.
Die Vergangenheiten klaffen. –
Tobend, wirbelnd stürzt die Zeit
in die Gruft. — Das Leben schreit!