Stadtguerilla in Lateinamerika und BRD – Über die globale Entwicklung einer urbanen Guerilla

Art des Textes: Bachelorarbeit
Erstbetreuerin: Jun.-Prof. Dr. Anne Kwaschik
Zweitbetreuerin: Jun.-Prof. Dr. Debora Gerstenberger

Inhalt

1 Einleitung

2 Methodisches

3 Stadtguerilla in Lateinamerika

3.1 Land- und Stadtguerilla in Lateinamerika

3.1.1 Weiterentwicklung des Landguerillakonzeptes von Ernesto »Che« Guevara

3.1.2 Das Stadtguerillakonzept des movimiento de liberación nacional – Tupamaros

3.2 Das Minihandbuch des Stadtguerilleros von Carlos Marighella

4 Stadtguerilla in der BRD

4.1 Stadtguerilla ohne Landguerilla?

4.2 Die Stadtguerilla wird global

4.3 Das Konzept Stadtguerilla

5 Fazit

Fußnoten, Quellen und Literatur

1 Einleitung

»Das Konzept Stadtguerilla stammt aus Lateinamerika. Es ist dort, was es auch hier nur sein kann: die revolutionäre Interventionsmethode von insgesamt schwachen revolutionären Kräften.« (Rote Armee Fraktion, Das Konzept Stadtguerilla, 1971)1

Zu Beginn der 1970er-Jahre wurde die Bundesrepublik Deutschland von einer Reihe von Anschlägen erschüttert. Vertreter*innen2 der Presse und führende Politiker*innen sprachen von Terrorismus, wogegen sich die Urheber*innen als Stadtgueriller@s3 im Sinne eines revolutionären Internationalismus wähnten.4 Ihr Konzept hatten sie Guerillagruppen in Lateinamerika5 entlehnt und ihre Solidarität galt Palästinenser*innen und dem Vietcong. Über dem Text »Die Rote Armee aufbauen!« in der Agit 883 Nr. 62 am 05. Juni 1970 springt dem*der Leser*in ein schwarzer Panther entgegen, der durch die starke Ähnlichkeit zu deren Logo wohl auf die Black Panther Party (kurz: BPP) in den USA referenzieren soll.6 Zumindest in ihren Texten stilisierten die Rote Armee Fraktion (kurz: RAF; 1970-1998) und die Tupamaros West-Berlin (kurz: TW; 1969-1972) beziehungsweise etwas später die Bewegung 2. Juni (1972-1980) sowie die Revolutionären Zellen (kurz: RZ; 1972-1993) ihre Aktionen als Teil eines internationalen, revolutionären Befreiungskampfes, in welchem sie als globale Stadtguerilla an der Seite der ländlichen Befreiungsbewegungen in Asien, Afrika und Lateinamerika standen und gemeinsam mit weiteren Stadtguerillagruppierungen im urban geprägten Westeuropa und Nordamerika agierten.7 In diesem Rahmen tut sich die Frage auf, inwieweit es sich tatsächlich lediglich um eine Übernahme des Konzeptes Stadtguerilla aus Lateinamerika handelte bzw. ob nicht eher ein neues, globales Konzept einer urbanen Guerilla als Unterstützung der ruralen Guerilla in Asien, Afrika und Lateinamerika, welches mit ähnlichen taktischen Ansätzen agierte, entstanden war.

Um dieser Frage nachzugehen, soll die Stadtguerilla in der BRD im Rahmen dieser Arbeit als Teil einer vermeintlich international agierenden revolutionären Bewegung, welche ihre Vorbilder in Lateinamerika hatte, betrachtet werden. Hierzu wird vor allem die Hochphase internationalistischer Bewegungen zum Ende der 1960er- und zu Beginn der 1970er-Jahre genauer untersucht. Auch wenn ein Blick auf die TW, RZ und Bewegung 2. Juni sowie die späteren Generationen der RAF dabei nicht ausbleiben wird, soll doch die erste Generation der RAF ganz klar im Mittelpunkt stehen. Zudem wird ein Blick auf die Tupamaros in Uruguay geworfen und das »Minihandbuch des Stadtguerilleros« von Carlos Marighella herangezogen, um die Betrachtung des Ideentransfers aus Lateinamerika in die BRD und den Rest der sogenannten Westlichen Welt zu ermöglichen.

Neben lateinamerikanischen Quellen von Carlos Marighella, den Tupamaros und Ernesto »Che« Guevara, welche als zeitgenössische Übersetzung vorliegen, wurden Texte der RAF, von Michael »Bommi« Baumann und Georg von Rauch von den TW und Abhandlungen und Notizen von Rudi Dutschke aufgegriffen. Einige davon konnten mit Hilfe des Archivs des Hamburger Instituts für Sozialforschung eingesehen werden. Die anderen stammen zumeist aus Online-Archiven, Textsammlungen oder in der entsprechenden Zeit publizierten Büchern.

Die Suche nach aktueller Literatur erwies sich als deutlich schwerer. Neben Alain Labrousse und Alex Schubert, die ihre Schriften beide aus einer eher linken Perspektive noch in der Zeit des betrachteten Geschehens verfassten und damit sicher einen Grenzbereich zwischen Literatur und Quelle darstellen,8 beschäftigten sich mit Hans-Joachim Müller-Borchert und Werner Hahlweg auch ein Bundeswehrhauptmann und ein Militärhistoriker mit der betrachteten Thematik, wobei vor allem Müller-Borchert seinen Blick auf die taktisch-strategischen Aspekte richtete.9 Hingegen findet sich weit weniger moderne Literatur zur Thematik Stadtguerilla. Auch wenn diverse Schriften sich mit der Roten Armee Fraktion beschäftigen, werden häufig andere Aspekte in den Vordergrund der Betrachtung gestellt. Die Tupamaros scheinen weitestgehend aus der Forschung verschwunden zu sein. Dennoch werden sowohl die Rote Armee Fraktion als auch die Tupamaros und einige weitere Gruppierungen wie die Tupamaros West-Berlin in einem Doppelband von Wolfgang Kraushaar aus dem Jahr 200610 und einem von Alexander Straßner herausgegebenen Sammelband aus dem Jahr 2008 behandelt.11 Fabian Bennewitz arbeitete erst im letzten Jahr über die Frage, ob es sich beim Stadtguerilla-Konzept der Tupamaros um eine Weiterentwicklung des Guerillamodells nach Ernesto »Che« Guevara oder um eine neue Form von urbanem Terrorismus handelte.12 Weitere Schriften streifen das Thema Stadtguerilla der RAF nur am Rande13 oder setzen sich auf allgemeinerer Ebene mit der Thematik Stadtguerilla auseinander.14 Zusätzlich wurde Literatur herangezogen um das methodische Vorgehen in dieser Arbeit zu klären.15

Diese Beschreibung des methodischen Vorgehens soll auch als erstes geschehen, bevor ein Blick auf die Stadtguerilla sowie ihren Vorgänger die Landguerilla in Lateinamerika geworfen wird. Nach der Betrachtung der theoretischen und praktischen Grundlagen dort, wird die Perspektive anschließend auf die BRD gerichtet, um nach einer kurzen Einordnung in die historischen Hintergründe die Idee einer globalen Stadtguerilla aufzugreifen, welche über keine Landguerilla im eigenen nationalen Umfeld verfügt.

2 Methodisches

Der beste Weg, die Übertragung des Konzepts Stadtguerilla aus Lateinamerika in die BRD zu untersuchen, scheint eine Transferforschung zu sein. Transfer bedeutet die Bewegung von Entitäten im Raum, wobei vor allem eine Bewegung über kulturelle Grenzen hinaus gemeint ist. Entitäten können Menschen, Konzepte und Ideen, materielle Dinge oder Informationen sein. Handelt es sich, wie im Rahmen dieser Arbeit, um den Transfer von Ideen und Konzepten, ist vom Ideentransfer als Unterkategorie des Kulturtransfers die Rede.16 Es handelt sich bei der Transferforschung um einen kulturwissenschaftlichen Ansatz, welcher Mitte der 1980er-Jahre vor allem durch Texte von Michel Espagne und Michael Werner ins Leben gerufen wurde.17 Sie stellte den älteren Forschungsansatz des Vergleichs in Frage. Anders als im Falle eines Vergleichs, bei dem von synchronen Entwicklungen in verschiedenen kulturellen und nationalen Gegebenheiten ausgegangen wird, die dann miteinander verglichen werden können,18 wird bei einem Transfer davon ausgegangen, dass Ideen und Konzepte kulturelle und nationale Grenzen überwinden und sich somit unter verschiedenen Gegebenheiten und immer auch in gegenseitiger Beeinflussung entwickeln.19 Doch dieser Ansatz geht insofern noch weiter, dass er die Möglichkeit postuliert, dass ein derart übertragenes Konzept auf die weitere Entwicklung eines kulturellen oder nationalen Raumes Einfluss nimmt. Diese Betrachtung nahm einer Nationalgeschichtsschreibung, welche die Nation als in sich geschlossene Einheit betrachtet, den Wind aus den Segeln. Eine gegenseitige Befruchtung rückte dagegen in den Vordergrund. Dies bedeutet für die Erforschung geschichtlicher Themen eine interkulturelle und transnationale, globale Sicht einzunehmen.20

Der Ansatz der Transferforschung scheint somit ideal zu sein, um den interkontinentalen Einfluss des lateinamerikanischen Stadtguerillakonzeptes auf die Gegebenheiten in der BRD zu untersuchen. Hierbei fällt ins Auge, dass der kulturelle Kontext, aus dem dieses Stadtguerillakonzept stammte, selber eine Folge europäischer Kolonialpolitik in Lateinamerika war.21 Wenn die Guerilla in Lateinamerika untersucht wird, so wird ein Konzept betrachtet, das an sich eine antikoloniale Bedeutung hat. Zumindest auf diesen Aspekt als Befreiungsbewegung wird im Laufe dieser Arbeit eingegangen werden, ohne dabei jedoch tiefer in den Kulturtransfer, welcher mit der europäischen Eroberung Lateinamerikas einher ging, einzugehen.22 Mit der Übernahme bzw. Weiterentwicklung dieses Stadtguerillakonzeptes durch antiimperialistische Gruppierungen in der BRD fand ein weiterer Kulturtransfer statt. Ein Konzept, welches unter dem europäischen Kolonialeinfluss in Lateinamerika entstand, begann nun die Staaten Europas zu beeinflussen.23

Wichtig ist, dass eine Idee oder ein Konzept bei der Übernahme in einen anderen kulturellen und nationalen Zusammenhang nicht unbedingt unverändert bleibt. Vielmehr handelt es sich um eine Interpretation des ursprünglichen Konzepts aus einem ganz neuen Kontext heraus.24 Nach Middell können »[d]ie Objekte des Kulturtransfers […] in der Empfängerkultur eine neue Funktion erhalten, indem sie neu kontextualisiert werden«.25 Dieser Ansatz ist es, unter dem bei dem Transfer des Stadtguerillakonzeptes aus Lateinamerika in die BRD eine Weiterentwicklung zur globalen Stadtguerilla stattgefunden haben könnte. Da in der Literatur zwar vielfach diskutiert wird, was ein Transfer sei und wie er sich vom Vergleich abgrenzt, eine Beschreibung des Vorgehens aber außen vor bleibt, folgen an dieser Stelle ein paar Gedanken, wie die Untersuchung des in dieser Arbeit behandelten Transfers umgesetzt werden soll. Neben einer Betrachtung der Umsetzung des Konzepts und der Bezugnahme auf dieses in zeitgenössischen Texten soll auch untersucht werden, wie sich die spezifischen Bedingungen in der BRD als Industriestaat von jenen im ländlich geprägten Lateinamerika unterschieden. Hieraus sollen Rückschlüsse auf die veränderte Funktion der Stadtguerilla in diesem Kontext gezogen werden.

3 Stadtguerilla in Lateinamerika

Nachdem das methodische Vorgehen geklärt ist, soll nun der zentrale Begriff dieser Arbeit, die Stadtguerilla (auf Spanisch: guerrilla urbana), betrachtet werden. Sie entstand in Lateinamerika als eine Weiterentwicklung aus dem Guerillakonzept Ernesto »Che« Guevaras, welches dieser aus dem Erfolg der kubanischen Revolution ableitete.26 Der Begriff Guerilla ist hierbei schon weit älter, stammt aus dem Spanischen und ist ein Diminutiv – eine Verkleinerungsform des Wortes Guerra, welches zu Deutsch Krieg bedeutet. Guerilla kann also mit Kleinkrieg übersetzt werden.27 Dieser geht als Begriff auf den Kampf irregulärer spanischer Einheiten gegen die napoleonische Armee zurück.28 Eine Stadtguerilla ist demnach ein Kleinkrieg im urbanen Raum. Als Methode wurde dieser bereits im irischen Unabhängigkeitskampf von Michael Collins angewandt,29 ausformuliert und theoretisiert aber erst im Rahmen der Entwicklung der 60er und 70er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts in Lateinamerika.30 Bekannt geworden ist das Konzept der Stadtguerilla dort vor allem durch die Erfolge der Tupamaros in Uruguay und durch die Schriften des Brasilianers Carlos Marighella. Dieser Abschnitt wird sich zunächst mit Ernesto Guevaras Guerillakonzept und in diesem Rahmen mit der Fokus-Theorie befassen, um sich anschließend von der Landguerilla abzuwenden und die Kämpfe der Tupamaros und das »Minihandbuch des Stadtguerilleros« von Marghella genauer zu betrachten.

3.1 Land- und Stadtguerilla in Lateinamerika

In seinem Minihandbuch ordnet Marighella die Stadtguerilla als Kampfform des revolutionären Krieges neben der Landguerilla und dem psychologischen Krieg ein. Sie hat bei ihm vor allem Aufgaben zur Unterstützung der Landguerilla wahrzunehmen.31 Ähnlich äußert sich auch Ernesto »Che« Guevara, der Guerillaaktivitäten in Städten und Vorstädten als eine spezielle Methode der Guerillakriegsführung betrachtet, die einer speziellen Form an Gueriller@s benötigt. Auch bei ihm kann die Stadtguerilla jedoch nicht mehr sein, als eine zusätzliche Stütze für die Landguerilla.32 Diese allein hält auch der Revolutionstheoretiker und Philosoph Régis Debray für in der Lage, die politische Macht in einem Volkskrieg zu erobern.33 Dennoch unternahm das movimiento de liberación nacional – Tupamaros (kurz: MLN-T; auf Deutsch: Bewegung der Nationalen Befreiung – Tupamaros) in Uruguay den Versuch, eine Stadtguerilla, welche auf sich allein gestellt war, zu etablieren. Ein Ansatz, welchen später auch Gruppierungen wie die RAF aufgreifen sollten.34 Um diesen Schritt zu untersuchen, muss zunächst das Landguerillakonzept von Guevara und anschließend das MLN-T einer Betrachtung unterzogen werden.

3.1.1 Weiterentwicklung des Landguerillakonzeptes von Ernesto »Che« Guevara

Theoretiker*innen und Praktiker*innen der Stadtguerilla bezeichnen diese immer wieder als Weiterentwicklung des Landguerillakonzeptes von Ernesto »Che« Guevara oder berufen sich durch Verweise auf ihn.35 Unlängst schrieb Fabian Bennewitz eine Bachelorarbeit darüber, ob es sich beim Stadtguerillakonzept des MLN-T in Uruguay um eine solche Weiterentwicklung oder eine neue Form des städtischen Terrorismus handelte. In seinem Fazit kommt er zu dem Punkt, dass die Organisationsform der Tupamaros wohl eine Zwischenform war, die eher als Weiterentwicklung mit starkem Bezug auf Guevaras Fokus-Theorie gesehen werden kann, aber auch terroristische Tendenzen besaß.36

Auch in der BRD wurden Guevaras Konzeptionen schon vor dem Entstehen erster Stadtguerillagruppen aufgegriffen. So wurde in einem Seminar des SDS in Oberreifenberg bereits im März 1966 über eine Weiterentwicklung der Fokustheorie gesprochen37 und ein Jahr später verfasste Rudi Dutschke Notizen über die »Fokustheorie i. d. 3. Welt & ihre Neubestimmung in den Metropolen«. In diesem Rahmen arbeitete er anhand von Ernesto Guevaras Theorie ein Konzept für eine Stadtguerilla in der BRD aus.38 Wolfgang Kraushaar weist darauf hin, dass diese Notizen noch vor der Übersetzung von Marighellas Minihandbuch in die deutsche Sprache im Jahr 1970 entstanden sind und somit von eigenständigen Ideen Dutschkes zu einer Weiterentwicklung der Fokus-Theorie zu einem Stadtguerillakonzept die Rede sein kann.39

Unter diesen Bedingungen scheint es lohnenswert, sich zum Verstehen der Stadtguerillakonzeption zuerst mit Ernesto Guevaras Fokus-Theorie auseinander zu setzen. Diese formuliert er in seinem Text »Guerillakrieg – eine Methode«.40 Zentral sind für diese Theorie folgende Feststellungen aus der »Zweiten Deklaration von Havanna« aus dem Jahre 1962:

»1. Die Volkskräfte können einen Krieg gegen die Armee gewinnen.

2. Nicht immer muß man warten, bis alle Bedingungen für die Revolution gegeben sind; der aufständische Brennpunkt kann sie schaffen.

3. Im unterentwickelten Amerika müssen Schauplatz des bewaffneten Kampfes grundsätzlich die ländlichen Gebiete sein.«41

Diese drei Thesen widersprechen mit ihrem voluntaristischen Prinzip – das heißt in diesem Fall, dass eine Revolution zuerst eine Frage des Willens und nicht notwendigerweise von objektiven Bedingungen ist – nicht nur einem dogmatischen marxistischen Prinzip der Dialektik, wonach eine Revolution nur durch das Zusammentreffen bestimmter objektiver und subjektiver Voraussetzungen möglich wird, sie bilden auch die Basis für die Idee, einen Guerilla-Fokus zu begründen.42 Die Idee besteht darin, dass sich eine Gruppe von Revolutionär*innen in einem schwer zugänglichen Bereich der rural geprägten Landschaft Lateinamerikas festsetzt und dort eine Basis errichtet, von der aus erste Guerillaaktivitäten unternommen werden können. Ziel dieser Aktivitäten muss es sein, die Landbevölkerung von den Zielen der Revolution zu überzeugen. Diese Etablierung eines ersten Guerilla-Fokus, seine Interaktion mit der Bevölkerung und die anfänglichen Partisanenangriffe gegen die reguläre Armee des zu bekämpfenden Staates bilden die erste Phase des Guerillakrieges. Ist der Fokus stärker geworden und groß genug angewachsen, können weitere Fokusse in anderen Landesteilen gesetzt werden. Stück für Stück soll nun der Einfluss der Landguerilla steigen, bis sie nach dieser zweiten Phase mächtig genug ist, den offenen Volkskrieg gegen die Truppen der als solche betrachteten imperialistischen Widersacher*innen zu wagen.43

Diese Theorie, wie sie hier nur grob umrissen ist, diente zunächst als Grundlage diverser Landguerillaorganisationen, bevor sie von der brasilianischen Ação Libertadora Nacional (kurz: ALN; auf Deutsch: Nationale Befreiungsaktion) von Carlos Marighella und dem movimiento de liberación nacional – Tupamaros in Uruguay zu einer Anwendung mit einem städtischen Fokus weiterentwickelt wurde.44 Wo Marighella und die ALN Stadtguerilla jedoch eher als Unterstützung einer herkömmlich wirkenden Landguerilla betrachteten,45 entschied sich das MLN-T dafür, ihre Guerillaaktionen generell auf Montevideo – die Hauptstadt Uruguays – zu beschränken.46 Dieser Anlauf der Bildung einer urbanen Guerilla soll im Folgenden weiter betrachtet werden.

3.1.2 Das Stadtguerillakonzept des movimiento de liberación nacional – Tupamaros

Von 1964 bis 1968 gründete sich in Uruguay das bereits erwähnte movimiento de liberación nacional – Tupamaros.47 Nach dieser Phase der Konsolidierung, trat das MLN-T 1968 im Rahmen von Unruhen, welche auf die restriktive Politik von Präsident Jorge Pacheco Areco und die schlechte wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Uruguay folgten, in ihre aktivste Phase ein,48 die bis zu den Verhaftungen einer Großzahl der Führungspersonen der Bewegung 1972 andauerte.49 Benannt hatte sich das MLN-T nach den Tupamaros um José Gervasio Artigas (1811).50 Diese bezogen sich mit ihrer Eigenbezeichnung auf José Gabriel Condorcanki, der als Rebellenführer unter dem Namen Túpac Amaru II. Anfang der 1780er Jahre in Peru einen Aufstand gegen die spanische Kolonialmacht probte.51 José Gabriel wiederum hatte seinen Kampfnamen in Bezug auf Tupac Amaru I. – den letzten Herrscher der Inkas, der im 16. Jhd. gegen die Eroberung durch Spanien aufbegehrte – gewählt.52 Hiermit stellte sich das MLN-T in eine lange Tradition von Kämpfen mit antikolonialem und sozialem Hintergrund. Ihr Feindbild war der Imperialismus – vor allem jener der US-Amerikaner*innen – und das erklärte Ziel eine sozialistische Gesellschaft.53

Nach einem ersten Anlauf im ruralen Raum Uruguays, bildete sich das MLN-T schon in seinem Begründungsjahr 1965 als eine Guerilla, die sich eher auf die urbanen Gebiete Montevideos stützte.54 Von besonderer Wichtigkeit für diesen Schritt waren wohl die geografischen Gegebenheiten des Landes, welches wie sein Nachbar Argentinien besonders durch eine weite Pampa geprägt ist. Über Gebirgsketten oder Urwälder, welche Landgueriller@s hätten Schutz bieten können, verfügt Uruguay hingegen nicht.55 Der Großraum Montevideo, welcher mit seinen 300 Quadratkilometern über die Hälfte der uruguayanischen Bevölkerung umfasst, schien der vielversprechendere Ort für einen Guerilla-Fokus zu sein.56 Auch wenn mit Raúl Sendic und Eleuterio Fernández Huidobro zwei der drei Gründungsmitglieder aus der Bewegung der Zuckerrohrarbeiter bzw. dem castrischen – und somit auf Landguerilla ausgerichteten – Movimiento Revolucionario Oriental hervorgingen, war mit Tabaré Rivero auch ein Mitglied des Partido Socialista de Uruguay (kurz: PSU) vertreten.57 Vor allem über ihn gab es gute Kontakte zu den städtischen Massenorganisationen. Unterstützung kam hier vor allem von Student*innen und Angestellten des Staatsapparates. Aber auch in verschiedenen Bereichen wie der ärztlichen Versorgung, der Lagerhaltung und bei der Herstellung von Sprengstoffen, konnte hier auf eine gewisse Basis zurückgegriffen werden.58 Damit waren auch wichtige Fähigkeiten vorhanden, die laut Marighella für eine Stadtguerillaorganisation unabdingbar sind.59

Entscheidende Aktivitäten des MLN-T galten künftig der Beschaffung von Waffen und Finanzmitteln, aber auch der Diskreditierung der Regierung als korrupt, brutal und im Dienste des US-amerikanischen Imperialismus stehend sowie »Robin-Hood-Aktionen«, bei welchen Enteignungen der armen Bevölkerung zugutekommen sollten.60 Sowohl Vertreter*innen von Regierung, Wirtschaft und den als Repressionsapparat betrachteten Organen der Exekutive als auch Interessenvertreter*innen US-amerikanischer Unternehmen und Institutionen wurden entführt, um ihre Verstrickungen in Korruptionsfälle oder Verletzungen von Menschenrechten offenzulegen.61 Zumeist wurden die Entführten später gegen die Zahlung eines Lösegeldes freigelassen.62 Es kam jedoch auch vor, dass Todesurteile ausgesprochen und vollzogen wurden. So wurde zum Beispiel 1970 der CIA-Folterexperte Dan A. Mitrione, der als Sicherheitsberater für das Innenministerium von Uruguay arbeitete, vom MLN-T hingerichtet. Solche Schritte wurden von der Bevölkerung jedoch nicht unbedingt mitgetragen und konnten auch zu einem Verlust an Popularität und Unterstützung beitragen.63

Obwohl die Tupamaros hauptsächlich auf inneruruguayische Geschehnisse und Themen Bezug nahmen,64 wurde aber auch im Sinne des Gedankens der Trikontinentale65 gehandelt und Bezug auf die Verbrechen der USA in Vietnam und die Bedeutsamkeit des nordvietnamesischen Widerstandes genommen. So war ein Anschlag auf ein Depot der Firma Bayer in Montevideo 1965 von einem Bekenner*innenschreiben begleitet, in welchem es der Unterstützung der USA durch die Herstellung von Giftgas für den Vietnamkrieg beschuldigt wurde,66 welche über Mobay – ein Joint Venture von Bayer und Monsanto – in Form von Agent Orange auch tatsächlich stattfand.67 1968 nehmen sie in den »Dreißig Fragen an einen Tupamaro« zudem klaren Bezug auf die Forderung Guevaras, »›zahlreiche Vietnams‹ zu schaffen«,68 welche dieser in seiner »Botschaft an die Trikontinentale« formulierte.69

Der Erfolg des MLN-T hing stark von der Analyse und Reflektion einzelner Aktionen und ihrer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ab. Dies war die Untersuchung der »revolutionären Konjunktur«coyuntura – welche die Stimmung in der Bevölkerung wiedergeben sollte. So sollten Aktionen nur dann durchgeführt werden, wenn die Mittel der Bevölkerung als legitim erscheinen würden.70 Dies trug in starkem Maße zur Popularität der Organisation bei, da die entsprechend ausgewählten Guerillatätigkeiten von der Bevölkerung Uruguays als »richtig« anerkannt wurden.71 Verstöße gegen dieses Prinzip wurden dagegen negativ aufgenommen, da die daraus resultierende Gewalt nicht als legitimes Mittel anerkannt wurde.72 Ein weiteres wichtiges Grundprinzip war die Vermeidung von zivilen Opfern.73

Mit der Zeit gelang es den Tupamaros vom MLN-T, sich eine echte Basis in der urbanen Großregion Montevideo aufzubauen. Diese umfasste nicht nur konspirative Wohnungen und Lagermöglichkeiten, sondern auch Untergrundkrankenstationen und »Volksgefängnisse«. Es entstanden Ansätze einer parallelen Staatlichkeit, die sich tatsächlich den Prinzipien aus Guevaras Fokus-Theorie annäherten.74 In der Hochzeit ihres Wirkens hatten die Tupamaros bis zu 1000 aktive Mitglieder.75 Obwohl es in Uruguay keine fest verankerte feministische Tradition gab, stieg die Anzahl der weiblich sozialisierten Guerilleras des MLN-T von ca. 10% um 1966 auf ungefähr 25% im Jahr 1972. Sie waren auf allen Ebenen und in allen Funktionen der Guerillaorganisation aktiv.76

Im Jahr 1972 gelang es dem Militär, welches von der Regierung Uruguays nun immer stärker in deren Tätigkeiten eingebunden wurde, schwere Schläge gegen das MLN-T auszuführen. Die Infrastruktur der Stadtguerilla in Montevideo wurde aufgedeckt und zerschlagen. Durch Verhaftungswellen gerieten mehrere führende Tupamaros, unter ihnen auch Raúl Sendic, in Gefangenschaft. Die Regierungsgewalt wurde vom Militär übernommen und erst mit dem Ende der Militärdiktatur 1985 wurden die Gefangenen wieder aus der Haft entlassen.77 Dies stellte vorerst das Ende der Tupamaros dar. Heute ist das Movimiento de Participación Popular (kurz: MPP), welches als politisch-zivilgesellschaftlicher Arm aus dem MLN-T hervorging, die stärkste Organisation innerhalb des regierenden Parteienbündnisses Frente Amplio in Uruguay und stellt den regierenden Präsidenten. Auf dem Weg parlamentarischer Wahlen haben es die Tupamaros somit doch noch an die Macht geschafft.78

3.2 Das Minihandbuch des Stadtguerilleros von Carlos Marighella

Nachdem nun die Aufgaben der Stadtguerilla skizziert wurden, scheint es interessant, noch ihre Methoden zu betrachten. Hierzu finden sich detaillierte Anleitungen im »Minihandbuch des Stadtguerilleros« von Carlos Marighella. Der am 4. November 1969 von der brasilianischen Militärdiktatur ermordete Begründer der Ação Libertadora Nacional gibt nicht nur detaillierte Ideen davon wieder, wie die Logistik und die Organisation einer Stadtguerilla aussehen sollte,79 sondern geht auch auf verschiedenste Aktionsformen ein.80 Nach einer Einordnung der Stadtguerilla als Unterstützung der Landguerilla, geht er daran, wichtige Merkmale, über welche ein*e Stadtgueriller@ verfügen sollte, und den Aufbau der Organisation zu beschreiben.81

Die von Marighella beschriebenen Aktionsformen umfassen »Überfälle, Eindringen in feindliche Objekte, Besetzungen, Hinterhalte, Straßentaktiken, Streiks und Arbeitsunterbrechungen, Desertionen, Waffenumleitung, Fang und Enteignung von Waffen, Munition und Explosivwaffen, Befreiung von Gefangenen, Hinrichtungen, Entführungen, Sabotage, Terrorismus, bewaffnete Propaganda [und] Nervenkrieg«.82 Auffällig ist, wie hoch sowohl der Grad und die Berechnung als auch die Omnipräsenz der Gewalt in den einzelnen beschriebenen Methoden sind. Nach Donatella della Porta kann im Zusammenhang mit der von Marighella beschriebenen Organisationsform von klandestiner Gewalt bzw. von Terrorismus gesprochen werden,83 was dem Selbstbild der ALN zu widersprechen scheint, da Terrorismus lediglich als eine der Aktionsformen der Guerilla betrachtet wird.84 Dennoch liegt wohl in der Verallgemeinerung der intensiven Gewalt über die verschiedenen Aktionsformen hinweg ein bedeutender Faktor, welcher zur Entfremdung von Guerilla und Bevölkerung zu führen drohte. Nicht umsonst hatten die Tupamaros mittels ihrer Betrachtung der revolutionären Konjunktur versucht, ihre Aktionen im Vorfeld zu analysieren und mussten nach der Hinrichtung von Dan A. Mitrione feststellen, dass sie an dieser Stelle zu weit gegangen waren und ihr Rückhalt in der Bevölkerung ins Wanken kam.85

Um zum Schluss noch auf Müller-Borcherts Feststellung, dass jede Guerilla ideelle Triebkräfte brauche um die Bevölkerung in kürzester Zeit hinter sich zu einen und dass die Stärkste dieser Triebkräfte ein »Patriotismus« sei,86 einzugehen, sei angemerkt, dass Gueriller@s sowohl bei Marighella als auch bei Guevara immer wieder mit »leidenschaftlichen« Patriot*innen gleichgesetzt werden.87 Seine Bedeutung als einende Kraft gewinnt der Patriotismus in Asien, Afrika und Lateinamerika durch die Ablehnung der kolonialen Fremdherrschaft als zentrales strategisches Ziel aller Befreiungsbewegungen. Diese soll nach Müller-Borchert die stärkste Kraft bei der Formierung der Bevölkerung hinter der Guerilla sein.88 In diesem Rahmen ist sicher auch der Begriff der »Nationalen Befreiung« im Namen der MLN-T zu deuten.89

4 Stadtguerilla in der BRD

Mit der Student*innenbewegung der 1960er Jahre nahm die Rolle des Internationalismus innerhalb der Linken der BRD zu und gleichzeitig fand eine Zuwendung zu revolutionären Gruppierungen weltweit statt. Dies wurde wage unter der Begrifflichkeit des revolutionären oder proletarischen Internationalismus zusammengefasst, wie er sich auch immer wieder in zeitgenössischen Schriften findet.90 Wichtige Stütze dieses Ansatzes ist die Betrachtung des kapitalistischen Systems als zum Faschismus neigend und politische Opposition durch Reglementierungen und Vereinnahmung tötend.91 Die revolutionäre Rolle haben in dieser Betrachtung nicht mehr eine europäische oder US-amerikanische Arbeiterklasse, sondern die Befreiungsbewegungen in Asien, Afrika und Lateinamerika sowie gegenkulturelle Gruppen in den Industrieländern inne.92 Als logische Konsequenz musste eine weltweite, internationale Solidarisierung aller Revolutionär*innen folgen. Das politische System der sogenannten Westlichen Welt wurde wegen des Krieges in Vietnam von 1955 bis 1975, der Konflikte um Kuba93 und dem Vorgehen gegen die antikolonialen Befreiungskämpfe in Afrika94 kritisiert, Befreiungsbewegungen und Widerstandsgruppen dagegen als Antifaschist*innen im Kampf gegen Imperialismus und Kapitalismus begriffen. Der Internationalismus wurde somit zu einer treibenden Kraft des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (kurz: SDS).95 Der Geist der Trikontinentale-Konferenz,96 welche vom 3. bis zum 15. Januar 1966 in Havana stattfand, wurde auch in den Versammlungen und Konferenzen des SDS aufgegriffen.97 Im September 1967 riefen Dutschke und Krahl in ihrem »Organisationsreferat auf der 22. Delegiertenkonferenz des SDS« unter der Fahne des Vietcongs zur Umsetzung eines Guerillakonzeptes in den Metropolen gegen die Unterdrückung der internationalen Befreiungsbewegungen auf.98 Ein internationaler Vietnam-Kongress im Jahr 1968 folgte. Wieder war die Fahne der Front National de Libération (kurz: FNL; auf Deutsch: Nationale Befreiungsfront; auch: Vietcong) aufgehängt und diesmal um die Losungen »Für den Sieg der vietnamesischen Revolution« und »Die Pflicht jedes Revolutionärs ist es, die Revolution zu machen« erweitert. Letztere war ein Jahr zuvor das Motto der OLAS-Konferenz in Havanna gewesen.99 Zu dieser Solidarität der Linken in der BRD mit den Befreiungsbewegungen der Trikontinentale kam ab 1966 noch der Widerstand gegen die Große Koalition unter Kurt Georg Kiesinger im eigenen Land dazu, welche am 30.05.1968 die Notstandsgesetzgebung verabschiedete. Getragen vom SDS entstand die Außerparlamentarische Opposition (kurz: APO).100 Als die Hochzeit dieser Bewegung jedoch abflaute, nahmen Teile ihres harten Kerns immer militantere Züge an.101 Diese wurden mit Sicherheit durch Übersetzungen von Schriften Guevaras und Marighellas, die im Laufe der nächsten Jahre in der Bundesrepublik angefertigt wurden, zusätzlich bekräftigt.102 Mit den Tupamaros West-Berlin (kurz: TW) um Dieter Kunzelmann, Ina Siepmann, Georg von Rauch, Lena Conradt und Albert Fichter und den Tupamaros München (kurz: TM) um Fritz Teufel gründeten sich im Herbst 1969 die ersten Stadtguerillagruppen in der BRD, die schon im Namen Bezug auf ihre Vorbilder aus Uruguay nahmen.103 Erstere waren aus dem Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen hervorgegangen, der seine Wurzeln in der Drogenszene der damaligen Zeit hatte,104 und sollten ab 1972 in der Bewegung 2. Juni aufgehen.105 1970 verfasste Georg von Rauch während eines Aufenthaltes in Untersuchungshaft ein erstes Manuskript zum Aufbau einer Stadtguerillaorganisation in West-Berlin.106 In diesem greift er mit dem Satz »In den entwickelten Ländern wie Deutschland muß der Schauplatz des Kampfes das städtische Gebiet sein.«107 die dritte These aus Guevaras »Guerillakrieg – eine Methode« auf.108 Es folgen Überlegungen, die an die Logistik-Formel Motorisierung-Geld-Waffen-Munition-Sprengkörper von Carlos Marighella erinnern109 und Überlegungen zu Rückzugstaktiken nach Aktionen,110 zu Sabotageakten111 sowie zum Aufbau einer Organisations(infra)struktur.112 Zum Ende nennt Georg von Rauch noch zu klärende Fragen auf Gebieten der Strategie und der Theorie, wie zum Beispiel das Verhältnis zum Anarchismus nach Bakunin und zum Nahost-Konflikt.113 Gerade zur Thematik dieses Konfliktes, vertraten die Tupamaros West-Berlin eine klar propalästinensiche Position, welche auch aus der eingangs erwähnten Begrifflichkeit des proletarischen Internationalismus heraus schlüssig war, wurden die Israelis doch als Vorposten imperialistischer Mächte in der Arabischen Welt gewertet, was zum Teil zu stark antisemitischen Positionen innerhalb der gesamten Linken in der BRD führte.114 Schon ihren Anfang hatten die TW quasi im Rahmen dieser Nähe zur palästinensischen Bewegung genommen. Es war ein Camp der Fatah in Jordanien, in welchem sich die Gründungsmitglieder der Gruppierung 1969 hatten ausbilden lassen.115 Doch nicht nur die TW, sondern auch die RAF fanden ihren Weg in die palästinensischen Ausbildungscamps in Jordanien. Nach der, als Gründungsmoment geltenden, Befreiung von Andreas Baader, der nach der Brandstiftung an zwei Kaufhäusern in Frankfurt am Main im April 1968 eine Gefängnisstrafe absaß, trat der Kern der Gruppe um ihn, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Horst Mahler eine Reise zur Fatah an. Ende Mai kehrte die Gruppe nach internen Streitigkeiten, welche sich auch auf das Verhältnis zu den palästinensischen Gastgeber*innen ausgewirkt hatten und damit Probleme bei der Kommunikation mit den internationalen Partner*innen aufzeigten, nach Berlin zurück.116 Dort angekommen, nahm die RAF ihre Tätigkeit als Stadtguerilla auf.117 Laut »Bommi« Baumann von den TW war es die RAF, die die Stadtguerilla in der BRD mit Sprache und Waffen weiter radikalisierte und zu einem schnellen Gang in die Illegalität beitrug.118 Ab diesem Zeitpunkt sollten die RAF – wie auch die anderen Stadtguerillagruppen – immer an ihre Klandestinität gebunden bleiben. Im Gegensatz zum MLN-T verfügte die RAF nur über einen kleinen Kreis von aktiven Unterstützer*innen. Von Strukturen wie sie durch die Tupamaros in Montevideo errichtet worden waren, konnten sie, wie auch die Tupamaros West-Berlin und die Bewegung 2. Juni, nur träumen.119 Ohne diesen Anspruch einer festen, hierarchischen Organisationsstruktur, welche derlei Formen einer eigenen Infrastruktur aufbauen sollte, traten zu Beginn der 1970er-Jahre noch die Revolutionären Zellen (kurz: RZ) in Erscheinung, welche teilweise aus ehemaligen Unterstützer*innen der RAF bestanden. Sie unterschieden sich von den anderen Stadtguerillaorganisationen in der BRD durch ihre Organisationsform, welche eher dezentral angelegt war.120 Zudem bestand der Versuch der Mitglieder, sich sowohl an den Aktivitäten der RZ zu beteiligen, als auch ein Leben in der Legalität zu führen und sich somit auch offen an politischer Arbeit zu beteiligen. Dies sollte zu einer engeren Bindung an die aufkommende Autonome Szene, welche den Unterstützer*innenkreis stellte, führen.121 Zwischen der RAF, den RZ und der Bewegung 2. Juni gab es Konkurrenz, aber auch Kooperationen, welche teilweise zu gemeinsamen Aktivitäten führten.122

Mit einem speziellen Blick auf die RAF, wird dieser Abschnitt sich der Frage stellen, was es heißt, eine Stadtguerilla ohne Landguerilla zu begründen und auch auf die globale Perspektive urbaner Guerilla zurückkommen. Im Anschluss soll »Das Konzept Stadtguerilla« der Roten Armee Fraktion betrachtet werden. Dabei wird auch auf den Einfluss des Minihandbuchs von Marighella eingegangen werden.

4.1 Stadtguerilla ohne Landguerilla?

»Die ›Propaganda der Schüsse‹ (Che) in der ›Dritten Welt‹ muß durch die ›Propaganda der Tat‹ in den Metropolen vervollständigt werden, welche eine Urbanisierung ruraler Guerilla-Tätigkeit geschichtlich möglich macht.« (Dutschke & Krahl, 1967)123

Wie bereits im Absatz 3.1 beschrieben, schreibt Marighella der Stadtguerilla vor allem die Aufgabe zu, »die Landguerilla zu unterstützen« und somit das Volk auf den bewaffneten Volkskrieg, wie Guevara die letzte Phase des Guerillakrieges nennt, vorzubereiten.124 Die Fähigkeit der Eroberung der politischen Macht wird vielfach lediglich der Landguerilla zugestanden, was Stadtguerillagruppen zum bloßen Organ der Unterstützung deklariert. Auf sich allein gestellt scheint sie dagegen keine Erfolgsaussichten zu haben.125 Denn auch wenn das MLN-T im Kontext der uruguayischen Gegebenheiten – eingebettet in die damalige Gesamtsituation in Lateinamerika – den Versuch einer Stadtguerilla recht erfolgreich unternommen hat,126 stellt sich die Frage, wie sich diese Konzepte auf die Lage in der Bundesrepublik Deutschland gegen Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre übertragen ließ. Allgemein bekannt ist, dass sich die Rote Armee Fraktion bei ihren Aktionen als Stadtguerilla nicht auf eine innerdeutsche Landguerilla beziehen konnte. Es wird also ein zusätzlicher Ansatz benötigt, um die Stadtguerilla der RAF in das Konzept eines Guerillakrieges einzubetten.127

Einen Hinweis darauf, wie die RAF mit diesem Problem umging, bieten verschiedene ihrer Texte. In »Die Aktion des Schwarzen September in München. Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes« aus dem Jahr 1972 findet sich als Ansatz der Gedanke, die sogenannte Erste Welt aber auch die industriell fortgeschrittenen Länder des Ostblocks als Metropole – sozusagen als globalen städtischen Raum – und die Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas als Peripherie oder globalen ländlichen Raum zu deuten.128 Auch in ihrem – noch zu behandelnden – Text »Das Konzept Stadtguerilla« von 1971 betrachtet die RAF die BRD als Metropole129 und lässt ein Zitat der italienischen, kommunistischen Gruppe Il Manifesto einfließen, in welchem ein revolutionärer Kampf »in den Hochburgen« des Imperialismus zur Unterstützung der Kämpfe »in den rückständigen Gebieten« gefordert wird.130 Damit wird eine Idee aufgegriffen, welche der chinesiche Militär und Funktionär der KPCh Lin Piao 1965 in seinem Text »Es lebe der Sieg im Volkskrieg!« entwickelte131 und die von der Trikontinentale-Konferenz im Januar 1966 in Havanna aufgegriffen wurde.132 Lin Piao unterteilte die Welt zunächst in die urban geprägten Regionen, die er »Städte der Welt« nannte und vor allem in den Industrieländern Nordamerikas und Westeuropas ausmachte, und die »Dörfer der Welt« als eher rurale Peripherie, welche die Länder der Trikontinentale in Lateinamerika, Asien und Afrika bildeten. Die Länder der Trikontinentale sah er der »Agression und Versklavung durch die Imperialisten mit den USA-Imperialisten an der Spitze und ihren Lakaien ausgesetzt«. Städte nehmen in dieser Betrachtung der globalen Ruralität die Rolle von Vorposten der imperialistischen globalen Urbanität ein, von wo aus die ausgebeuteten Länder kontrolliert werden könnten. Diese Machtzentren gälte es Lin zufolge durch ein bewaffnetes Volksheer, welches aus einer Landguerilla hervorgehen müsse, einzunehmen.133 Das Konzept von Lin Piao wurde von dem anerkannten Militärhistoriker Werner Hahlweg bereits 1968 in dessen Monografie »Guerilla. Krieg ohne Fronten« aufgegriffen und betrachtet. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass der Ansatz Lin Piaos auch in der Linken der BRD bekannt war.134

An dieser Stelle schließt sich aber nicht nur der Kreis zu Guerillakonzepten aus Lateinamerika, sondern es wird auch ein wichtiger Andockpunkt für die RAF und andere Stadtguerillagruppen in Nordamerika und Westeuropa geboten. In Analogie zu Städten und den sie umgebenden ländlichen Gebieten in den Ländern der Trikontinentale, wo die Stadtguerilla die Guerilla auf dem Land unterstützte, konnte eine Stadtguerilla in der BRD als Unterstützung der Landguerilla in Lateinamerika, Asien und Afrika gesehen werden. Der Widerspruch, eine Stadtguerilla ohne Landguerilla zu sein, war zumindest anscheinend durch das Konzept des proletarischen Internationalismus behoben.135

In diesem Sinne kann auch das eingangs wiedergegebene Zitat von Rudi Dutschke und Hans-Jürgen Krahl aus dem Organisationsreferat auf der 22. Delegiertenkonferenz des SDS im Jahre 1967 verstanden werden.136 Dieses stammt, wie chronologisch ersichtlich ist, aus einer Zeit vor der Entstehung von RAF und TW. Von Kraushaar wird es im Sinne von Überlegungen zur Thematik der Stadtguerilla seitens Rudi Dutschkes gedeutet, welche die späteren Guerillaorganisationen beeinflusst haben könnten.137

4.2 Die Stadtguerilla wird global

Die 1960er- und 70er-Jahre markierten in Folge des Sieges des Movimiento 26 de Julio (kurz: M-26-7; auf Deutsch: Bewegung des 26. Juli) unter Fidel und Raul Castro, Ernesto »Che« Guevara und Camilio Cienfuegos in Kuba – nicht nur in der BRD, sondern auch in anderen Industrieländern – eine Hochphase von Guerillakonzeptionen.138 Mit den Weathermen und der Black Panther Party in den USA, der Action directe (kurz: AD) in Frankreich und der Brigate Rosse in Italien seien nur ein paar der bedeutenderen Stadtguerillagruppen im urban geprägten Teil der Erde genannt.139 Es stellt sich nun die Frage, ob sich im Rahmen einer Weltsicht, welche die Welt global in einen ruralen und einen urbanen Raum unterteilt, ein neuer Typ Stadtgueriller@ in den Industriestaaten, also dem explizit urban geprägten Raum herausgebildet hat.140 Um diese Frage genauer zu untersuchen scheint es lohnenswert, sich mit dem Text »Die RAF und der internationale Terrorismus – Zur transnationalen Kooperation klandestiner Organisationen« von Christopher Daase auseinanderzusetzen. Er behandelt die eingangs in der Arbeit erwähnten Beziehungen zu und Bezüge auf Land- und Stadtguerillagruppen sowohl in der Trikontinentale als auch in der sogenannten Ersten Welt.141 Dabei unterscheidet er verschiedene Arten der Zusammenarbeit nach ihrer unterschiedlichen Intensität. Für diese Unterscheidung prüft Daase zunächst, ob der Gegenstand der Zusammenarbeit »die Programmatik, die Strategie oder die Organisation [betrifft]«, ob die Form der Zusammenarbeit »symbolisch, latent oder manifest [ist]« und ob Partner*in der Zusammenarbeit ein Staat, eine Befreiungsbewegung oder eine Stadtguerilla in einem Industriestaat ist.142

Gerade die erste Generation der RAF griff vor allem auf eine programmatisch-symbolische Kooperation zurück, wenn sie in ihren Texten Bezug auf palästinensische, vietnamesische oder lateinamerikanische Guerillabewegungen nahm bzw. wenn ihr Text »Die Rote Armee aufbauen!« unter einem schwarzen Panther angeordnet war.143 Zudem griffen sie auf die Hilfe der Fatah zurück um sich militärisch ausbilden zu lassen. Eine solche Kooperation benennt Daase als organisatorisch-latent.144 Eine intensivere internationale Kooperation schreibt er erst der zweiten und dritten Generation der RAF zu. Hier hebt er vor allem die Zusammenarbeit mit der AD hervor, welche in den späten 1980er-Jahren betrieben wurde.145

Stärker als die RAF setzten die RZ auf eine internationale Zusammenarbeit und teilten sich entsprechend in Zellen, welche in Deutschland agierten, und eine weitere internationale Zelle, welche mit verschiedenen Befreiungsbewegungen und Stadtguerilla- und Terrorgruppen zusammenarbeitete. Die Zellen in Deutschland waren trotz ihrer unterschiedlichen Aktionen eng mit der internationalen Zelle verbunden.146 Wichtigste Partnerinnen des internationalen Teils der RZ waren die Volksfront zur Befreiung Palästinas (kurz: PFLP) und die mit dieser zusammen agierende Carlos-Gruppe um den als »Carlos« bekannten Venezolaner Ilich Ramirez Sanchez. Dies bot nicht nur eine Versorgung mit Waffen, Geld und Trainingsmöglichkeiten,147 was nach Daase eine organisatorisch-latente Kooperation darstellt,148 sondern konnte auf programmatisch-manifester Ebene149 ein Symbol antiimperialistischen Wirkens schaffen.150 Dennoch kann die Frage gestellt werden, ob es sich selbst hierbei um die Unterstützung einer globalen Stadtguerilla für eine globale Landguerilla gehandelt hat. So lag der logistische Nutzen klar auf Seiten der RZ und der symbolische Nutzen der Zusammenarbeit war wohl für beide Akteure ein Anreiz zu gemeinsamen Aktionen. Es war somit eher die Landguerilla, welche die Gueriller@s in der Stadt unterstützt hat.151 Dies widerspricht allerdings der bereits erwähnten Grundaufgabe einer Stadtguerilla, die Guerilla auf dem Land zu unterstützen.152

4.3 Das Konzept Stadtguerilla

Mit ihrer Schrift »Das Konzept Stadtguerilla« veröffentlichte die Rote Armee Fraktion im April 1971 nach dem recht kurzen Text »Die Rote Armee aufbauen!« im Juni 1970153 einen ersten längeren, programmatischen Text. Er enthält Rechtfertigungen des eigenen Vorgehens gepaart mit Analysen der damaligen Situation in der BRD sowie Bezügen auf antiimperialistische, internationalistische Bewegungen. Zentral sind hierbei Fragen der Gewalt und der Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes.154 Dies sind auch die Punkte, auf welche im Folgenden weiter eingegangen werden soll.

Bei der im Text referierten Gewaltauffassung fallen zwei Extrema auf. Zum einen wird dem Staat und der von ihm ausgeübten »Repression« ein hohes Maß an Gewalt bis hin zum Terror nachgesagt. Dies geschieht teilweise in einem sehr verallgemeinerten Maß, wenn von »Konsumterror«, »Erziehungsterror« und »Mietterror« als Formen struktureller Gewalt ausgegangen wird155 und der Arbeitsalltag, die Konsumorientierung der Wirtschaft, das Erziehungswesen und die Macht der Medien als Repression aufgefasst werden. Dabei erfolgt keine tiefer gehende politische Analyse, ob eine solche Einschätzung zutreffend sei. Die These von der Gewalt, welche den Alltag der Menschen kontrolliert, bleibt als Kampfbegriff ohne einen analytischen Beleg zurück.156 Zum anderen wird die eigene Anwendung von Gewalt abgestritten und zur reinen Gegengewalt stilisiert.157 Ohne differenzierte Betrachtungen der eigenen Gewaltanwendungen geht jedoch ein Blick für die Verhältnismäßigkeit und ein Abwegen der Sinnhaftigkeit unter der Analyse der revolutionären Konjunktur verloren. Dies wiederum bedeutet allzu schnell einen Verlust einer eigenen Basis in der Bevölkerung.158

In ihrem Vorgehen beruft sich die RAF in dem Text vor allem bei ihren Aktionsformen klar auf Carlos Marighella und die lateinamerikanischen Guerillabewegungen.159 Sie wollten durch die Anwendung von Stadtguerillamethoden einen revolutionären Kampf wagen, selbst wenn die Lage in der BRD für einen solchen nicht besonders günstig sei.160 Hierzu verwiesen sie auf dessen globale Notwendigkeit, in welcher sie sich – wie bereits beschrieben – als urbane Unterstützung der ruralen Befreiungsbewegungen in Asien, Afrika und Lateinamerika verpflichtet sahen.161 Dies machte ein Voranschreiten als Avantgarde des revolutionären Internationalismus unabdingbar.162 Dass die Gefahr, in Abenteurertum zu verfallen, bestand, merkten sie zwar an, hielten dem aber die Gefahr, in tatenlosem Dogmatismus zu verweilen, entgegen.163

Anders als bei Marighella spielt der Begriff des Patriotismus bei der RAF keine Rolle.164 Im Gegensatz zu vielen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas war die BRD als ehemalige Kolonialmacht von keiner Fremdherrschaft betroffen und die Abgrenzung zum Nationalsozialismus machte einen positiven Bezug auf einen Patriotismus sicher schwierig.165 Die von Müller-Borchert beschworene Wirkung des Patriotismus als die Bevölkerung hinter der Guerilla einende Kraft, konnte hier somit nicht erwartet werden.166

5 Fazit

Nachdem das Stadtguerillakonzept des MLN-T und das »Minihandbuch des Stadtguerilleros« in Bezug auf Lateinamerika betrachtet und ihre Übertragung auf das Wirken der RAF und weiterer Stadtguerillagruppen in der BRD untersucht wurde, sollen im Folgenden die Schlüsse daraus festgehalten werden. In diesem Rahmen wird noch einmal auf die verschiedenen in dieser Arbeit studierten Bereiche eingegangen werden. Diese sind im Einzelnen das Landguerillakonzept nach Guevara, die Organisation des MLN-T in Uruguay, das »Minihandbuch des Stadtguerilleros« von Carlos Marighella, die Frage nach einer Stadtguerilla ohne Landguerilla, die Einbindung der bundesdeutschen Stadtguerilla in ein globales Konzept einer ruralen Trikontinentale und eines urbanen europäischen und US-amerikanischen Komplexes von Industriestaaten sowie »Das Konzept Stadtguerilla« der RAF.

Die erste Erkenntnis lautet, dass, wenn in entwickelten Industriestaaten keine Landguerilla entsteht, eine Stadtguerilla dort nur durch eine Einbindung in ein internationalistisches Konzept wie das der »Städte der Welt« und der »Dörfer der Welt« von Lin Piao gerechtfertigt werden kann, in welchem eine solche Stadtguerilla dann als Unterstützung der Landguerilla in der Trikontinentale agiert. Dies setzt eine weltweite Zusammenarbeit von Landguerillaorganisationen in den ruralen Gebieten mit Stadtguerillagruppen in den urbanen Gebieten und somit eine feste Verknüpfung von zentralen und dezentralen Aktionen voraus. Ein entsprechendes Konzept stand bei Stadtguerillagruppen in der BRD auf dem Papier. Bei der Umsetzung in die Praxis taten sich RAF, RZ, TW und Bewegung 2. Juni trotz verschiedener Versuche und Ansätze jedoch schwer. Zu einer Unterstützung der globalen Landguerilla haben sie es nicht gebracht. Hierzu fehlte ihnen wohl auch die Basis innerhalb Deutschlands.

Mit diesem Punkt ist dann auch schon die zweite wichtige Erkenntnis aus dieser Arbeit referenziert. Eine Stadtguerilla braucht wie auch eine Landguerilla eine Massenbasis. Den Tupamaros ist es in Uruguay zwischenzeitlich gelungen, sich diese aufzubauen. Sie hatten es geschafft, die Bevölkerung mit ihren Aktionen, die hierzu für alle Sinn ergeben mussten, für sich zu gewinnen. Eine Kooperation mit verschiedensten Verbündeten wurde somit nicht nur möglich sondern auch genutzt. Diese Basis kann jedoch auch erschüttert werden, wie die Reaktion auf die Hinrichtung von Mitrione zeigte. Die RAF hatte eine weit geringere Massenbasis, was sicher auch an ihrem Verhältnis zu den eigenen Aktionen lag. Wenn die eigene Anwendung von Gewalt durch die RAF generell abgetan wurde, konnte auch die Wirkung eben dieser auf die Anerkennung durch die Menschen nicht mehr reflektiert werden. Sie wurden immer mehr zu einer kleinen, sich selbst als elitäre Avantgarde betrachtenden, jedoch alleinstehenden Gruppierung, als zur revolutionären Organisation mit Anbindung an die Bevölkerung.

Die Stadtguerilla in der BRD war eher ein neues, globales Konzept einer urbanen Guerilla als eine reine Übernahme der lateinamerikanischen Vorbilder. Dies wird an der Bedeutung von Lin Piaos Konzept für die eigene Rechtfertigung ersichtlich, welches sich neben die Verweise auf Marighella und Guevara einreiht. Mit dieser Übernahme fand bei gleichbleibender Methodik eine neue strategische Ausrichtung statt, anders als bei den Tupamaros oder der ALN. Nicht die Befreiung von einer Fremdherrschaft stand in deren Zentrum, sondern eine Unterstützung ruraler Guerillaorganisationen bei deren Befreiungskampf, der auch als ein Kampf gegen Imperialismus und Kapitalismus verstanden wurde. Dennoch konnte dieses neue Konzept in der BRD nicht erfolgreich umgesetzt werden. Der Anspruch, als globale Stadtguerilla eine Unterstützung für die Landguerilla in der Trikontinentale zu sein wurde nicht erfüllt. Es gelang nicht einmal, sich eine eigene Basis in der Bevölkerung aufzubauen. Dies wird neben der unverstandenen Anwendung von Gewalt auch am Fehlen einer, die Bevölkerung der BRD hinter der RAF, den RZ oder der Bewegung 2. Juni einenden Triebkraft liegen. Anders als der Patriotismus und der gegen die USA gerichtete Wille zur Unabhängigkeit in Lateinamerika, welche die Menschen in die Reihen der Befreiungsbewegungen führten, dürfte der Kampf gegen die Napalmbomben der US-amerikanischen Bomber in Vietnam und gegen die Ausbeutung von Asien, Afrika und Lateinamerika nicht ausgereicht haben, um die westdeutsche Bevölkerung für den Einsatz von Guerillaaktionen und damit von Gewalt zu gewinnen.

Am Ende lässt dieses Ergebnis einige Fragen offen, die direkt bei den gewonnenen Erkenntnissen ansetzen. Zum einen stellt sich die globalere Frage nach der Verfasstheit der Trikontinentale als Netzwerk ruraler Befreiungsbewegungen. War dieses Netzwerk abseits der Konferenz in Havanna dicht und homogen genug, um urbanen Guerillagruppen außerhalb vom Papier ein echter Bezugspunkt zu sein oder war dies nur ein Wunschdenken? Im zweiten Fall würde sich die Frage anschließen, ob ein solches internationales, revolutionäres Guerillanetzwerk generell möglich ist und welche Bedingungen dies erfordern würde. Zum anderen bleibt die auf die BRD bezogene Frage offen, welche Triebkraft die Bevölkerung dort hinter den Stadtgueriller@s hätte einen können. Von den Antworten auf diese Fragen hängt ab, ob das neue Konzept einer globalen Guerilla im urbanen Raum und speziell auch in der BRD Erfolgsaussichten haben könnte oder ob ein Scheitern schon in den Ausgangsbedingungen festgeschrieben war.

Fußnoten, Quellen und Literatur

1 Rote Armee Fraktion: Das Konzept Stadtguerilla; 1971 – In: Hoffmann, Martin (Hrsg.): Rote-Armee-Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF; Berlin 1997, S. 27-48, S. 41.

2 In dieser Bachelorarbeit werden deutschsprachige Begriffe mithilfe des Gender Gap gegendert, da das generische Maskulinum allzu schnell vergessen lässt, dass Menschen nicht nur männlich, sondern von unterschiedlichem sozialen und/oder biologischen Geschlecht sein können. Zitate, Eigennamen von Organisationen und Angehörige ausschließlich männlicher Gruppierungen bleiben hiervon unberührt.

3 Wie bei den deutschen wird auch bei den spanischsprachigen Begriffen in dieser Bachelorarbeit gegendert. Dies geschieht mithilfe des in dieser Sprache typischen @, welches sowohl das o für männliche als auch das a für weibliche Formen eines Substantivs enthält (z.B. Guerilleros/Guerilleras → Gueriller@s) und diese in sich auch fließend und somit andere Geschlechtsformen einschließend, verbindet. Die Begründung und Verwendung ist die gleiche wie bei deutschsprachigen Begriffen (siehe Fußnote 2).

4 Hierlmeier, Josef: Internationalismus. Eine Einführung in seine Ideengeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart; Stuttgart 2006, S. 58 ff.

5 Die Begriffe »Lateinamerika« und »Südamerika« sind wegen ihrem kolonialen Hintergrund problematisch. Indígenas verwenden heutzutage häufiger den Namen »Abya Yala« zur Bezeichnung ihres Kontinents. Dieser stammt ursprünglich aus der Sprache der Kuna in Panama, hat sich aber darüber hinaus verbreitet. Im Rahmen dieser Bachelorarbeit wird dennoch die Bezeichnung »Lateinamerika« verwendet, da diese als Identifikation für die verschiedenen, miteinander agierenden Revolutionsbewegungen des Kontinents wirkte, von den (revolutionären) Protagonist*innen der behandelten Zeit benutzt wurde und diesen nicht die Souveränität abgesprochen werden soll, diese Begrifflichkeiten für sich selbst zu entscheiden.

6 Rote Armee Fraktion: Die Rote Armee aufbauen. – In: Agit 883, Nr. 62 (1970), S. 6.

7 Daase, Christopher: Die RAF und der internationale Terrorismus. Zur transnationalen Kooperation klandestiner Organisationen; – In: Kraushaar, Wolfgang (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus; Band 1, Hamburg 2006, S. 905-929, S. 916. Vergleiche z.B. Rote Armee Fraktion 1971, Das Konzept Stadtguerilla, S. 33 f. und von Rauch, Georg: Internationalismus und nationale Strategie; 1970 – In: Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung, von Rauch, Georg: Notizen; SAK 270,05,10b, Blatt 14-17.

8 Labrousse, Alain: Die Tupamaros. Stadtguerilla in Uruguay; München 1971 und Schubert, Alex: Stadtguerilla. Tupamaros in Uruguay – Rote Armee Fraktion in der Bundesrepublik; Berlin 1971.

9 Müller-Borchert, Hans-Joachim: Guerilla im Industriestaat. Ziele, Ansatzpunkte und Erfolgsaussichten; Hamburg 1973 und Hahlweg, Werner: Guerilla. Krieg ohne Fronten; Stuttgart 1968.

10 Kraushaar, Wolfgang (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus; Band 1 & 2, Hamburg 2006.

11 Straßner, Alexander: Sozialrevolutionärer Terrorismus. Theorie, Ideologie, Fallbeispiele, Zukunftsszenarien; Wiesbaden 2008.

13 z.B. Bulig, Jan: Von der Provokation zur »Propaganda der Tat«. Die »Antiautoritäre Bewegung« und die Rote-Armee-Fraktion (RAF); Bonn 2007, Henschen, Jan: Die RAF-Erzählung. Eine mediale Historiographie des Terrorismus; Bielefeld 2013, Rossi, Marisa Elena: Untergrund und Revolution. Der ungelöste Widerspruch für Brigate Rosse und Rote Armee Fraktion; Zürich 1993 und Winkler, Willi: Die Geschichte der RAF; Berlin 2007.

14 z.B. Langguth, Gerd: Rudi Dutschke und das Konzept Stadtguerilla. – In: Vogel, Bernhard & Kutsch, Matthias (Hrsg.): 40 Jahre 1968. Alte und neue Mythen. Eine Streitschrift; Freiburg im Breisgau 2008, S. 48-64, Marenssin, Emile: Stadtguerilla und soziale Revolution. Über den bewaffneten Kampf der Roten Armee Fraktion; Freiburg 2007, Münkler, Herfried: Der Partisan. Theorie, Strategie, Gestalt; Opladen 1990, Oppenheimer, Martin: Stadt-Guerilla; Frankfurt am Main, Berlin & Wien 1971 und Theopold, Regina: Volkskrieg und Stadt-Guerilla; München 2006.

15 Espagne, Michel: Kulturtransfer und Fachgeschichte der Geisteswissenschaften. – In: Middell, Matthias: Kulturtransfer und Vergleich; Leipzig 1999, S. 42-61, Middell, Matthias: Kulturtransfer und Historische Komparatistik. Thesen zu ihrem Verhältnis; – In: Middell, Matthias: Kulturtransfer und Vergleich; Leipzig 1999, S. 7-41, Schmale, Wolfgang: Kulturtransfer. – In: Europäische Geschichte Online, hrsg. vom Institut für Europäische Geschichte (Mainz), 2012, Siegrist, Hannes: Perspektiven der vergleichenden Geschichtswissenschaft. Gesellschaft, Kultur und Raum; – In: Kaelble, Hartmut & Schriewer, Jürgen (Hrsg.): Vergleich und Transfer. Komparastik in den Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften; Frankfurt am Main 2003, S. 305-339 und Werner, Michael & Zimmermann, Bénédicte: Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der Histoire croisée und die Herausforderung des Transnationalen; – In: Geschichte und Gesellschaft, 1 October 2002, Vol. 28 (4), S.607-636.

16 Middell 1999, S. 18 ff.

17 Schmale 2012, S. 2.

18 Espagne 1999, S. 42 f. und Werner & Zimmermann 2002, S. 609 ff.

19 Espagne 1999, S. 42 f.

20 Schmale 2012, S. 2, Espagne 1999, S. 42 ff. und Middell 1999, S. 9 ff.

21 Kinder, Hermann / Hilgemann, Werner: dtv-Atlas Weltgeschichte. Band 1 – Von den Anfängen bis zur Französischen Revolution; München 1964, 40. Auflage (2011), S. 224 f.

24 Middell 1999, S. 18.

25 Ebenda.

26 Bennewitz 2014, S. 26 ff. & Kinder, Hermann / Hilgemann, Werner / Hergt, Manfred: dtv-Atlas Weltgeschichte. Band 2 – Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart; München 1966, 41. Auflage (2011), S. 548 f.

27 Hahlweg, Werner: Guerilla. Krieg ohne Fronten; Stuttgart 1968, S. 11, Müller-Borchert 1973, S. 19 und Theopold 2006, S. 3.

28 Hahlweg 1968, S. 38-45 und Müller-Borchert 1973, S. 19.

29 McKenna, Joseph: Guerilla Warfare in the Irish War of Independence. 1919-1921; London 2011, S. 38 ff., 73 ff. & 97 ff.

30 Theopold 2006, S. 6.

31 1Marighella, Carlos: Minihandbuch des Stadtguerilleros. – In: Sozialistische Politik; 1970, Nr. 6/7, S. 143-166, S. 144.

32 Vergleiche Guevara, Ernesto »Che«: Stadt-Guerilla. Eine Methode; 1960 – In: Schickel, Joachim (Hrsg.): Guerrilleros, Partisanen. Theorie und Praxis; München 1970, S. 175-177 und Guevara, Ernesto »Che«: Ausgewählte Werke in Einzelausgaben. Band 1: Guerillakampf und Befreiungsbewegung. Auflage 5, Dortmund 1986, S. 90-93 »Guerillaaktionen in den Vorstädten«.

33 Debray, Régis: Revolution in der Revolution? Bewaffneter Kampf und politischer Kampf in Lateinamerika; München 1967, S. 77 f.

34 Huthöfer, Nina: Erfolgreicher Terrorismus? Die Tupamaros in Uruguay; – In: Straßner, Alexander: Sozialrevolutionärer Terrorismus. Theorie, Ideologie, Fallbeispiele, Zukunftsszenarien; Wiesbaden 2008, S. 345-362, S. 345.

35 z.B. Marighella 1970, S. 144 & 165 und MLN-T: Dreißig Fragen an einen Tupamaro; 1968 – In: Labrousse, Alain: Die Tupamaros. Stadtguerilla in Uruguay; München 1971, S. 46-59, S. 46 ff.

36 Bennewitz 2014, S. 30.

37 Eine entsprechende Notiz findet sich auf einem Notizzettel Rudi Dutschkes zum Seminar in Oberreifenberg. Vergleiche Dutschke, Rudi: Seminar in Oberreifenberg; 1966 – In: Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Dutschke, Rudi: Manuskripte, Skripte, Nozizen zur Arbeit im SDS; RUD 210,08, Einzelblatt aus Mappe.

38 Dutschke, Rudi: Fokustheorie i. d. 3. Welt & ihre Neubestimmung in den Metropolen; 1967 – In: Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Dutschke, Rudi: Notizen; RUD 240,04, Blatt 9 & 10.

39 Kraushaar, Wolfgang: Rudi Dutschke und der bewaffnete Kampf. – In: Kraushaar, Wolfgang (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus; Band 1, Hamburg 2006, S. 218-247, S. 233 f.

40 Guevara, Ernesto »Che«: Ausgewählte Werke in Einzelausgaben. Band 1. Guerillakampf und Befreiungsbewegung; Auflage 5, Dortmund 1986, S. 24-48.

41 Ebenda, S. 25 f.

42 Bennewitz 2014, S. 9 f.

43 Guevara 1986, S. 44 f.

44 Bennewitz 2014, S. 26 ff.

45 Marighella 1970, S. 144.

46 Labrousse 1971, S. 38 f.

47 Labrousse 1971, S.37 ff. & Kinder / Hilgemann / Hergt 1966 (2011), S. 614 f.

48 Gould, Jeffrey: Solidarity under Siege. The Latin American Left. 1968; – In: The American Historical Review, Vol. 114, No. 2 (2009), S. 348-375, S. 355 ff. und Labrousse 1971, S. 62 ff. & 86 ff.

49 Bennewitz 2014, S. 13.

50 Fischer, Thomas: Die Tupamaros in Uruguay. Das Modell der Stadtguerilla; – In: Kraushaar, Wolfgang (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus; Band 2, Hamburg 2006, S. 736-750, S. 741 und Labrousse 1971, S. 9.

51 Fischer 2006, S. 740 f. und Labrousse 1971, S. 9 f.

52 Fischer 2006, S. 740 f.

53 Ebenda, S. 741.

54 Bennewitz 2014, S. 13 f., Fischer 2006, S. 746 und Labrousse 1971, S. 38 f.

55 Bennewitz 2014, S. 14 und Huthöfer 2008, S. 355.

56 Bennewitz 2014, S. 14 und Huthöfer 2008, S. 355. Nach Müller-Borchert 1973, S. 96 leben sogar bis zu 60% der Bevölkerung Uruguays in Montevideo.

57 Fischer 2006, S. 741.

58 Fischer 2006, S. 746 und Huthöfer 2008, S. 349.

59 Marighella 1970, S. 147.

60 Fischer 2006, S. 741 und Huthöfer 2008, S. 356.

61 Huthöfer 2008, S. 357.

62 Ebenda.

63 Fischer 2006, S. 744 und Huthöfer 2008, S. 357f.

64 Gonzalez-Perez, Margaret: Guerrilleras in Latin America. Domestic and International Roles; – In: Journal of Peace Research, Vol. 43, No. 3 (2006), S. 313-329, S. 318.

65 Die Trikontinentale war ein Netzwerk von Befreiungsbewegungen und ostblockaffinen Regierungen in den ländlich geprägten Teilen der Welt – d.h. in Asien, Afrika und Lateinamerika. Gleich waren sie sich in der Auffassung, als Länder der globalen Ruralität von Agressionen der urbanen, imperialistischen Kräfte betroffen zu sein. Vergleiche Juchler, Ingo: Trikontinentale und Studentenbewegung. Antiimperialismus als Schibboleth; – In: Kraushaar, Wolfgang (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus; Band 1, Hamburg 2006, S. 205-217, S. 209 ff.

66 Labrousse 1971, S. 36. Vergleiche auch Fischer 2006, S. 741.

67 Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.: Pressemitteilung vom 13. September 2003. Stasi-Vorwürfe gegen Günter Wallraff. Chemiewaffen-Forschung bei BAYER kein Hirngespinst; Düsseldorf 2003: http://www.cbgnetwork.org/715.html (Stand 13.12.2015).

68 MLN-T 1968, S. 56 (Frage 21).

69 Guevara, Ernesto: Schaffen wir 2, 3 viele Vietnam. Brief an das Exekutivsekretariat von OSPAAAL. Eingeleitet und übersetzt von Gaston Salvatore und Rudi Dutschke; Havanna 1967 – In: Petermann, G. A. (Hrsg.): Kleine revolutionäre Bibliothek; Band 1, Berlin 1967, S. 7-16, S. 15 f.

70 Bennewitz 2014, S. 18 f.

71 Huthöfer 2008, S. 360.

72 Ebenda, S. 358

73 Ebenda, S. 360.

74 Bennewitz 2014, S. 26 und Huthöfer 2008, S. 357 & 359.

75 Fischer 2006, S. 745.

76 Gonzalez-Perez 2006, S. 318 f.

77 Fischer 2006, S. 745 f., Huthöfer 2008, S. 360 ff. und MLN-T: Wir, die Tupamaros; Verlag Roter Stern, Frankfurt am Main 1974, S. 3.

78 Fischer 2006, S. 750 und Huthöfer 2008, S. 346 & 362.

79 Marighella 1970, S. 149 f.

80 Ebenda, S. 155-162.

81 Ebenda, S. 144-148 & 149-150.

82 Ebenda, S. 155.

83 della Porta, Donatella: Politische Gewalt und Terrorismus. Eine vergleichende soziologische Perspektive; – In: Haupt, Heinz-Gerhard / Requate, Jörg / Weinhauer, Klaus: Terrorismus in der Bundesrepublik. Medien, Staat und Subkulturen in den 1970er Jahren; Frankfurt am Main 2006, S. 33-58, S. 35 f.

84 Marighella 1970, S. 160.

85 Vergleiche Bennewitz 2014, S. 18 f., Huthöfer 2008, S. 358 und 3.1.2 Das Stadtguerillakonzept des movimiento de liberación nacional – Tupamaros.

86 Müller-Borchert 1973, S. 121 ff.

87 Vergleiche z.B. Marighella 1970, S. 2 & 9 und Guevara 1967, S. 7, 8 & 11.

88 Müller-Borchert 1973, S. 121 ff.

89 Vergleiche die Übersetzung des Namens unter 3.1 Land- und Stadtguerilla in Lateinamerika.

90 Vergleiche Meinhof, Ulrike: Rede im Baader-Befreiungsprozess; 1974 – In: socialhistoryportal.org/raf, Rede im Prozess, Hungerstreikerklärung, Kampfprogramm; RAF Document ID 0019740913, S. 1f. und Dutschke, Rudi: Die geschichtlichen Bedingungen für den internationalen Emanzipationskampf; 1968 – In: Sievers, Rudolf (Hrsg.): 1968. Eine Enzyklopädie; Frankfurt am Main 2004, S. 252-262, S.252 f.

91 Hierlmeier 2006, S. 24-33.

92 Ebenda, S. 32.

93 z.B. die Invasion in der Schweinebucht am 17. April 1961 und die Kuba-Krise im Oktober 1962. Kinder / Hilgemann / Hergt 1966 (2011), S. 549. Die Solidaritätsbewegung blieb hier jedoch weit schwächer, als jene für Nordvietnam und die Vietcong der FNL. Als Thema wurde die Kuba-Solidarität erst in der Mitte der 1960er-Jahre von der Studentenbewegung aufgegriffen. Vergleiche Balsen, Werner & Rössel, Karl: Hoch die Internationale Solidarität. Zur Geschichte der Dritte Welt-Bewegung in der Bundesrepublik; Köln 1986, S. 100 ff.

94 Juchler 2006, Trikontinentale und Studentenbewegung, S. 214 und Hierlmeier 2006, S. 35 f.

95 Hierlmeier 2006, S. 33 f.

96 An einer Konferenz der – in der Fußnote 65 beschriebenen – Trikontinentale im Januar 1966 nahmen Delegierte aus 82 Ländern teil. Unter ihnen waren linksradikale Gruppierungen aus 19 lateinamerikanischen Staaten aber auch offizielle Delegationen der UdSSR, Chinas, der Mongolischen Volksrepublik, Nordkoreas und Nordvietnams. Vergleiche Juchler 2006, Trikontinentale und Studentenbewegung, S. 209 ff.

97 Vergleiche Balsen & Rössel 1986, S. 142 ff. und Juchler 2006, Trikontinentale und Studentenbewegung, S. 214 ff.

98 Kraushaar 2006, Rudi Dutschke und der bewaffnete Kampf, S. 221 f.

99 Die OLAS war eine während der Trikontinentale-Konferenz ins Leben gerufene lateinamerikanische Solidaritätsorganisation. Im Sommer 1967 wurde in Havanna die OLAS-Konferenz abgehalten. An dieser Konferenz nahmen 27 Delegationen von Land- und Stadtguerillaorganisationen aus ganz Lateinamerika teil. Vergleiche Juchler 2006, Trikontinentale und Studentenbewegung, S. 211 f.

100 Balsen & Rössel 1986, S. 110 ff., Straßner, Alexander: Perzipierter Weltbürgerkrieg. Rote Armee Fraktion in Deutschland; – In: Straßner, Alexander: Sozialrevolutionärer Terrorismus. Theorie, Ideologie, Fallbeispiele, Zukunftsszenarien; Wiesbaden 2008, S. 209-236, S. 212 und Kinder / Hilgemann / Hergt 1966 (2011), S. 589.

101 Kraushaar, Wolfgang: Die Tupamaros West-Berlin. – In: Kraushaar, Wolfgang (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus; Band 1, Hamburg 2006, S. 512-561, S. 514 f.

102 Balsen & Rössel 1986, S. 272.

103 Kraushaar 2006, Die Tupamaros West-Berlin, S. 518 f.

104 Ebenda, S. 515.

105 Ebenda, S. 513 f.

106 von Rauch, Georg: Der Guerillakrieg; 1970 – In: Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung, von Rauch, Georg: Notizen; SAK 270,05,10b, Blatt 20-33 und Kraushaar 2006, Die Tupamaros West-Berlin, S. 522.

107 von Rauch 1970, Blatt 20.

109 Marighella 1970, S. 149 und von Rauch 1970, Blatt 25.

110 von Rauch 1970, Blatt 26 f.

111 Ebenda, Blatt 27.

112 Ebenda, Blatt 30 f.

113 Ebenda, Blatt 32.

114 Balsen & Rössel 1986, S. 258 und Kraushaar 2006, Die Tupamaros West-Berlin, S. 519.

115 Kraushaar 2006, Die Tupamaros West-Berlin, S. 518 f.

116 Winkler 2007, S. 173 ff.

117 Ebenda, S. 170 f.

118 Baumann, Michael »Bommi«: Wie alles anfing; München 1975, S. 91 ff.

119 Wie in 3.1.2 Das Stadtguerillakonzept des movimiento de liberación nacional – Tupamaros beschrieben verfügte das MLN-T über Stukturen, die als »Volksgefängnisse« bezeichnet wurden, und über, im Untergrund organisierte Krankenhäuser. Zu ihrer besten Zeit zählten sie bis zu 1000 aktive Mitglieder. Ähnliche Strukturen, wie sie Georg von Rauch erträumte (vgl. von Rauch 1970, Blatt 31 f.) gab es in der BRD zu keiner Zeit. Die RAF verfügte über eine Personenstärke von 250 bis 300 »kämpfenden Einheiten«, »Militanten« und Mitgliedern in der »Kommandoebene«. Abseits der aktiven Mitglieder gab es ein externes Unterstützer*innenumfeld. (vgl. Straßner 2008, S. 214 ff.)

120 Kraushaar 2006, Die Tupamaros West-Berlin, S. 512 und Wörle, Johannes: Erdung durch Netzwerkstruktur? Revolutionäre Zellen in Deutschland; – In: Straßner, Alexander: Sozialrevolutionärer Terrorismus. Theorie, Ideologie, Fallbeispiele, Zukunftsszenarien; Wiesbaden 2008, S. 257-273, S. 257f.

121 Wörle 2008, S. 259.

122 Kraushaar 2006, Die Tupamaros West-Berlin, S. 512 und Wörle 2008, S. 266. Vergleiche auch Winkler 2007, S. 178 ff. und Baumann 1975, S. 98-107.

123 Dutschke, Rudi & Krahl, Hans-Jürgen: Das Sich-Verweigern erfordert Guerilla-Mentalität. Organisationsreferat auf der 22. Delegiertenkonferenz des SDS, September 1967; Frankfurt am Main 1967, S. 8.

124 Marighella 1970, S. 144.

125 Müller-Borchert 1973, S.90 ff. und Debray 1967, S. 77 f.

127 Die RAF schreibt hierzu: »Die ländliche Guerilla scheidet für die Betrachtung aus. Zu untersuchen sind die Probleme der Großstadtguerilla.« Vgl. Rote Armee Fraktion: Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa; 1971 – In: Hoffmann, Martin (Hrsg.): Rote-Armee-Fraktion. Texte und Materialien zur Geschichte der RAF; Berlin 1997, S. 49-107, S. 72.

128 Rote Armee Fraktion: Die Aktion des Schwarzen September in München. Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes; 1972 – In: socialhistoryportal.org/raf, RAF (Zeitung); RAF Document ID 0019721100, S. 3 & 8 f.

129 Rote Armee Fraktion 1971, Das Konzept Stadtguerilla, S. 31 ff.

130 Ebenda, S. 33 f.

131 Lin, Piao: Es lebe der Sieg im Volkskrieg; Peking 1965 – In: Schickel, Joachim (Hrsg.): Guerrilleros, Partisanen. Theorie und Praxis; München 1970, S. 188-205.

132 Juchler 2006, Trikontinentale und Studentenbewegung, S. 211.

133 Lin 1965, S. 199 f.

134 Hahlweg 1968, S. 187 ff.

135 Hierlmeier 2006, S. 40 f. & 58 ff.

136 Dutschke & Krahl 1967, S. 8.

137 Kraushaar 2006, Rudi Dutschke und der bewaffnete Kampf, S. 233 f.

138 Kinder / Hilgemann / Hergt 1966 (2011), S. 548 f. & S. 614 f.

139 Vergleiche Klimke, Martin: Black Power. Die Black-Panther-Solidaritätskomitees und der bewaffnete Kampf; – In: Kraushaar, Wolfgang (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus; Band 1, Hamburg 2006, S. 562-583, Juchler, Ingo: Die Weathermen. – In: Kraushaar, Wolfgang (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus; Band 2, Hamburg 2006, S. 768-781, Wunderle, Michaela: Die Roten Brigaden. – In: Kraushaar, Wolfgang (Hrsg.): Die RAF und der linke Terrorismus; Band 2, Hamburg 2006, S. 782-808 und Daase 2006, S. 909.

141 Siehe 1 Einleitung. Daase 2006.

142 Daase 2006, S. 908.

143 Ebenda, S. 909 f.; Rote Armee Fraktion 1972, Rote Armee Fraktion 1971, Das Konzept Stadtguerilla, S. 27 & 41 und Rote Armee Fraktion 1970.

144 Zur Hilfe durch die Fatah vergleiche 4 Stadtguerilla in der BRD. Winkler 2007, S. 173 ff.; Daase 2006, S. 909 f.

145 Daase 2006, S. 910.

146 Wörle 2008, S. 261 & 264 f.

147 Ebenda, S. 264 f.

148 Daase 2006, S. 909 f.

149 Ebenda.

150 Wörle 2008, S. 264 f.

151 Vergleiche 4.1 Stadtguerilla ohne Landguerilla?, Daase 2006, S. 909 f. und Wörle 2008, S. 264 f.

152 Marighella 1970, S. 144. Vergleiche 3.1 Land- und Stadtguerilla in Lateinamerika.

153 Rote Armee Fraktion 1970.

154 Rote Armee Fraktion 1971, Das Konzept Stadtguerilla, S. 30 ff. & 47 f.

155 Ebenda, S. 35.

156 Ebenda, S. 47 f.

157 Ebenda, S. 30.

159 Rote Armee Fraktion 1971, Das Konzept Stadtguerilla, S. 40 ff.

160 Ebenda, S. 33.

161 Ebenda, S. 34.

162 Ebenda, S. 37 ff.

163 Ebenda, S. 40.

165 Zur deutschen Kolonialgeschichte siehe Kinder / Hilgemann / Hergt 1966 (2011), S. 386 f. Über die Bedeutung des Patriotismus in der BRD schrieb z.B., der von der Studentenbewegung der 1960er-Jahre anfangs viel rezipierte, Horkheimer (vergleiche Hierlmeier 2006, S. 30 & 37 f.) in seinem Kommentar »Hinter der Fassade« (Horkheimer, Max: Hinter der Fassade. Unbekannter Ort 1959).

166 Müller-Borchert 1973, S. 121 ff.

Download:
Wolfstatze, Meas: Stadtguerilla in Lateinamerika und BRD. Über die globale Entwicklung einer urbanen Guerilla; Berlin 2015.

Zu dieser Arbeit liegt auch ein explizit politisches Fazit vor und es existiert eine Infoveranstaltung gemeinsam mit Fabian Bennewitz.

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Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze