Neulich habe ich die ZDF-Doku »Black in the USA« (Teil 1 & Teil 2) gesehen und war erinnert, was ich in meinem Text »Für einen Internationalen Tag gegen Polizei, Staatsgewalt & Herrschaft« zur Thematik festgehalten hatte: »Noch immer ermorden und demütigen in den USA, Europa und anderswo rassistische Cops ungestraft ›People of Color‹. Ein homogenes Bild einer ›weißen‹ Gesellschaft scheint vielfach ganz normal.« Dem Wahnsinn, der sich Rassismus nennt, haben wir auch im Selbstverständnis vom Hausprojekt Wilder Vogel eine Kurzerklärung gewidmet, die versucht, ihn in wenigen Worten sachlich zu schildern:
Eine mögliche Form, bestehende Ausprägungen der Privilegierung zu legitimieren und damit Herrschaftsverhältnisse zu zementieren, findet sich im Rassismus. Rassismus ist, ähnlich wie Antisemitismus oder Sexismus, eine biologistische (vermeintlich biologisch aber pseudowissenschaftlich argumentiert) Zuschreibung von körperlichen und/oder psychologischen (»Charakter«)Eigenschaften. Als Grundlage rassistischer Zuschreibungen dient eine imaginierte Einteilung der Menschheit in ursprünglich geographisch gedachte Großgruppen, eben die sogenannten »Rassen«, denen je unterschiedliche Eigenschaften pauschal zugeteilt und die als vererbbar behauptet werden.
Dies kann auf unterschiedliche Weisen geschehen:
- Entweder werden diese Eigenschaften als Kontrast benutzt, um eigene, ebenso imaginierte, Eigenschaften, positiv hervorzuheben,
- oder ganz plump, um eine biologistische Rechtfertigung für Ausbeutungsverhältnisse in der »natürlichen Andersartigkeit« anderer Menschen zu finden (ein klassisches Beispiel ist die Versklavung von Menschen südlich der Sahara mit der Begründung, »Schwarze seien eben nicht so intelligent wie Europäer, wären aber sehr viel geeigneter, harte körperliche Arbeiten zu verrichten«).
Mit anderen Worten hat Rassismus die Funktion, das eigene Selbstbild positiver zu gestalten, und damit die eigene Lebensweise, die in den meisten Fällen selbst davon geprägt ist, den unterschiedlichsten Unterdrückungsmechanismen unterworfen zu sein, vor sich selber zu rechtfertigen. Oder er dient der Legitimierung von politischer und/oder wirtschaftlicher Ausbeutung. In beiden Fällen lenkt der Rassismus noch immer von den realen Ursachen und Funktionen von Herrschaft und Unterdrückung ab.
Historisch diente der europäische Rassismus als Rechtfertigung der kolonialen Beherrschung der Welt. Diese Funktion nimmt er auch heute noch ein, wenn z.B. Länder des globalen Südens weiterhin ausgebeutet werden und jene Menschen, die vor den Auswirkungen bspw. Europäischer Wirtschaft fliehen, als »Wirtschaftsflüchtlinge« bezeichnet werden. Herabwürdigende Stereotype wie das der »faulen Schwarzen« werden dabei aufgewärmt. Auch zur Begründung militärischer Interventionen müssen Bilder von »unzivilisierten« Anhänger*innen »barbarischer Religionen« herhalten, wenn sogenannte Friedensmissionen einer kriegerischen Sicherung europäischer und nordamerikanischer Macht- und Wirtschaftsinteressen dienen. Auch die Behauptung, parlamentarische Demokratie an »gesellschaftlich Unterentwickelte« zu vermitteln, ist ein oft verwendetes rassistisches Bild. Daneben stützt Rassismus heute vor allem eine Aufwertung des Selbstbildes, durch das die Frustration der europäischen Arbeiter*innen in Richtungen gelenkt werden kann, die keinesfalls etwas mit einem Infragestellen der bestehenden Herrschaftsverhältnisse zu tun haben. Diese Mechanismen eines rassistischen »Verstehens« der Welt führen zu einer massiven Entsolidarisierung der verschiedensten von Ausbeutung betroffenen Gruppen und tragen so ihrerseits wieder zu einer Pseudolegitimierung des bestehenden Systems bei.
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Das Selbstverständnis (V20170125) steht unter der Creative Commons CC BY-NC-ND-Lizenz by Hausprojekt Wilder Vogel e.V.