Querdenken – Verschwörungswahn und Rücksichtslosigkeit

Das Thema der »Querdenker« lässt mich nicht los. Es saugt zur Zeit sogar ziemlich viel Kraft. Erst kürzlich entdeckte ich, dass nach Max Liebersi auch Bert Kartesas, mit dem ich früher ein paar mal auf der gleichen Bühne standii, in das Lager der Querfrontler*innen und Verschwörungsgläubigen gewechselt ist. Das macht für mich wieder eine Distanzierung nötig, da ich mit dem widerlichen Antisemitismus, der auf deren Veranstaltungen propagiert wird, einfach in keiner Weise in Verbindung stehen will. So trat Bert schon am 04.11.2020 bei einer Veranstaltung von »Querdenken Berlin« mit Dietmar Lucas von »dieBasis«, Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp auf dem Berliner Alexanderplatz auf.iii Lenz äußerte dabei über die Tech-Unternehmen aus dem Silicon Valley den Satz »Diese Leute sind das Unglück«iv und spielte damit wohl direkt und in antisemitischer Manie auf einen 1879 veröffentlichten Aufsatz von Heinrich von Treitschke an, in welchem dieser behauptet »Die Juden sind unser Unglück«, was später zum Schlagwort des nationalsozialistischen Hetzblattes »Der Stürmer« wurde. Immer wieder trat Bert in solchem Rahmen aufv und lief bei entsprechenden Umzügen mitvi. Zu dem antisemitischen Geschmiere in »Der Stürmer« bleibt noch zu erwähnen, dass nicht nur dessen Herausgeber Julius Streicher Impfungen als Form der »Rassenschande« durch »jüdische Ärzte« diffamierte. Generell war der große Anteil von anthroposophischen Anhänger*innen der NSDAP wie heutige »Querdenker« der Überzeugung, dass »Impfstoffe eine Erfindung jüdischer Pharmakonzerne« seien, um das »deutsche Volk« durch die »Veränderung der Gene« zu zerstören. Folglich wurde die Impfpflicht gegen Pocken schon zu Beginn der NS-Diktatur aufgehoben.vii Über den faschistoiden Background der anthroposophischen Partei »dieBasis« äußerte ich mich beiläufig bereits in meinem letzten Artikel zu »Eine[r] besonders krude[n] Querfront der Querfronten«. Und da sind wir beim nächsten Punkt. Kaum äußert man sich öffentlich über die Anhänger*innen von »Querdenken«, wird man mit deren Müll zugekippt, der offensichtlich einem gigantischen Drang zur Selbstdarstellung zu entspringen scheint. So erhielt ich Mails von Leuten, die offensichtlich aus dem Umfeld des antideutschen »Laidak« in Neukölln zu kommen scheinen, in welchen ich dann z.B. mit einem Artikel genervt wurde, in dem Antifaschist*innen, die sich gegen Querfrontbestrebungen einsetzen, als »Miniwächter der Ordnung« und damit quasi staatlich gesteuert dargestellt werden. Leute, die jede Positionierung für Tests, Mund-Nasen-Masken und Impfungen als faschistisch niederbrüllen, werfen einem dann vor, durch eine Mini-Recherche »eine offene gesellschaftliche Debatte zu diesem Thema unmöglich zu machen« und behaupten, dass es illegitim sei, aus verwendeter NS-Sprache durch Querdenken-Akteure wie Lenz oder der selbst so genannten »Freien Linken« auf deren Nähe zu entsprechender rechter Ideologie zu folgern. Dies sei, so der dreiste Ansatz der Verfasser der Mail, genauso, als wenn man aus dem Künstlernamen Tintenwolf schließen würde, dass ich ein »stalinoid-turkofaschistischer Querfrontler« wäre, da sich faschistische Gruppierungen wie die »Grauen Wölfe« ja immer wieder auf Wölfe beziehen würden und Stalin seine Todesurteile mit Tinte unterzeichnet habe. Das ich mich als begeisterter Freund von Wölfen über mein Gedicht »was wölfe wirklich gefährlich macht« bereits explizit gegen die Vereinnahmung von Wölfen durch Faschist*innen geäußert habe und die Tinte auf das Schreiben von Gedichten anspielt, ist offensichtlich die ferner liegende Begründung. Alleine schon der Ansatz harte antisemitische Parolen durch solch wirre Wortspielereien zu verharmlosen, ist extrem anti-dialektisch und entbehrt jeder materialistischen Begründung. Auf solchen Wahnwitz habe ich keinen Bock.

Ich kann verstehen, wenn bestimmte autoritäre Maßnahmen in der Bekämpfung der Pandemie kritisiert werden, vor allem, wenn sie häufig vor allem das Private betrafen, während die Wirtschaft weiterlaufen musste, wobei sich gerade in vollen S-Bahnen und in Fabrik- & Lagerhallen wohl viele einfache Arbeiter*innen angesteckt haben dürften, oder wenn der grottige Umgang mit der Jugend während der Lockdowns thematisiert wird. Eine Kritik an dieser Stelle ist aus klassenkämpferischer Sicht nicht nur sinnvoll sondern auch nötig. Wenn eine Kritik jedoch aus rein egozentristischen Motiven geführt wird und irrational eben Tests, Mund-Nasen-Masken und Impfungen attackiert, dann ist es in meinen Augen wichtig den Mund auf zu machen und zwar nicht nur, weil viele der Kritiker*innen ihre Haltung mit antisemitischem Verschwörungswahn unterfüttern und in einer Querfront mit Faschist*innen laufen, sondern weil sie die Gesundheit und das Leben derjenigen gefährden, die sich aufgrund ihres zu jungen Alters oder wegen einer Vorerkrankung (noch) nicht impfen lassen können oder bei denen die Impfung wegen einer Autoimmunerkrankung weniger wirkungsvoll ist. An der SARS-CoV-2-Variante Delta erkranken auch kleine Kinder schwer und dies ist ein Punkt, der mich als Vater eines Kleinkindes durchaus beunruhigt. Wer diese medizinischen Fakten aus egoistischer Ignoranz oder wahnhafter Dummheit beiseite wischt, gefährdet damit auch einen der Menschen, die mir am wichtigsten sind.

Alleine das ist schon Grund genug, »Querdenken« immer wieder als das zu entlarven, was sie sind: Gefährlich als Querfront, welche mit ihrem Wahn immer wieder auch ehemals Linke befällt, nervig in ihrer Selbstdarstellung sowie ihrem Opfermythos und rücksichtslos gegen all jene, die des Schutzes durch die Gesellschaft bedürfen.

i = Siehe die »Stellungnahme zu einem in die Querfront abgedrifteten Kollegen«.

ii = 40 Jahre Tommyhaus – Liedermacherabend & Open Stage Café am 24.02.2013, Kulturbühne: Zeit der Kirschen »Armut & Reichtum 1« am 04.04.2013 & KvU unplugged am 22.06.2013.

iii = https://www.youtube.com/watch?v=R3lPZ_kchaM.

iv = https://www.youtube.com/watch?v=R3lPZ_kchaM&t=1049.

v = https://twitter.com/kimwinkler1312/status/1320753029705060354 & https://volksbote.info/2020/12/06/querdenken-auf-dem-alexanderplatz/ sowie als Nachtrag am 27.11.2021 https://www.youtube.com/watch?v=Q7OM-UnTf_s (Bert Kartesas beim sogenannten »Marktplatz der Demokratie« auf dem Nettelbeckplatz (vgl. »Eine besonders krude Querfront der Querfronten«))

vi = https://www.flickr.com/photos/igornetz/albums/72157719350635848 (https://www.flickr.com/photos/igornetz/51227239243/in/album-72157719350635848/ & https://www.flickr.com/photos/igornetz/51228093290/in/album-72157719350635848/).

vii = Vgl. z.B. »Impfgegner: Reaktionärer Widerstand seit 200 Jahren« von Christian Kreil & »Die Geschichte der Impfgegner« von Tom Fugmann.

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