abgeschrieben: Schlechte Recherche oder dreiste Lügen – die Medien zur Räumung der Kadterschmiede und weiterer Räumlichkeiten in der Rigaer94

von https://wildvogelclan.wordpress.com/2016/06/23/rigaer94-medienstimmen/

An einer Wand im Berliner Friedrichshain steht ein kleiner Reim geschrieben. Er lautet: »Wer Fernseh’n schaut und das noch glaubt, der wurde des Verstand’s beraubt.« Tatsächlich sind die Medien mal wieder dabei, sich die Mäuler zu zerreißen. Ob es sich bei ihren Berichterstattungen zu den gestrigen Vorgängen in der Rigaer94 um schlechte Recherche oder dreiste Lügen handelt, ist schwer zu beantworten aber auch nicht so wichtig. Tenor ist: Es sollten Bauarbeiten wegen mangelnden Brandschutzes vor den Bewohner*innen geschützt und nicht bewohnte Fläche als Wohnraum für Flüchtlinge geräumt werden. Dabei wurde am Rande noch eine Pistole gefunden. Ein eindeutiger Verstoß gegen das Waffengesetz?? Mitnichten! Was die Medien vielfach verschweigen, ist, dass es sich gar nicht um eine echte Pistole sondern um eine Schreckschusspistole handelt. Der Erwerb, Besitz und Transport eben solcher ist ab dem 18. Lebensjahr erlaubt und stellt keinen Verstoß gegen das Waffengesetz dar. Kann es also seien, dass für Menschen, die in der Rigaer Straße leben, andere Gesetze gelten? Was bedeutet dann noch das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit?1

Die Lüge rund um die angeblich scharfe Waffe steht in engerem Zusammenhang zu den Brandschutzarbeiten, als es der erste Anschein vermuten lässt. So waren es Feuerlöscher, die als Waffen deklarierte am 13.01.2016 von Polizei und SEK während ihrer »Begehung« der Rigaer94 geraubt wurden und auch Wurfgeschosse stellten die Beamt*innen des Repressionsapparates im Januar selber her, indem sie eine Treppe zerschlugen. Damals wie heute sollten Waffen präsentiert werden, wo keine waren. Das Treppe und Feuerlöscher für den Brandschutz von Bedeutung sind und dieser somit nicht mehr existierte, konnte im Anschluss festgestellt werden. Wie praktisch. Was außer Acht gelassen wird, ist, dass die Bewohner*innen des Hauses sich schon längst daran gemacht haben, ihren Brandschutz wieder herzustellen. Mensch mag es kaum glauben, aber auch Autonome benötigen Treppen in ihren Häusern.2

Doch wenigstens ein Ziel der gestrigen Aktion der henkelschen Behörde schafft es, den Schein zu erwecken, etwas Gutes mit sich zu bringen. So heißt es, der Hauseigentümer John Dewhurst, der übrigens als Staatsanwalt des Supreme Court of South Africa während des rassistischen Apartheidsregimes gewirkt hatte,3 plane, den Raum für Flüchtlingswohnungen zur Verfügung zu stellen. Wollen wir uns dieses perfide Spiel doch mal genauer ansehen. In einer Zeit, da die riesige Freifläche rund um die Mecedes-Benz Arena in ein nutzloses Vergnügungsviertel verwandelt wird,4 sind dem Berliner Senat Unterkünfte für Flüchtlinge doch wichtig genug, dass dafür Räume in einem linken Wohn- und Kulturprojekt geräumt werden müssen. Warum wird denn nicht einfach die Freifläche mit günstigem Wohnraum bebaut?? Richtig, weil es im Senat gar kein Interesse gibt, günstigen Wohnraum und damit auch Unterkünfte für Geflüchtete zu schaffen. Es handelt sich lediglich um einen plumpen aber anscheinend medienwirksamen Versuch, Flüchtlinge und Autonome gegeneinander auszuspielen. Dies haben übrigens auch ›Moabit hilft!‹ und ›Friedrichshain hilft‹ festgestellt. In Stellungnahmen weisen sie auch darauf hin, dass die für die neu entstehenden, sanierten »Flüchtlingswohnungen« veranschlagten Mieten, welche sich am ortsüblichen Mietspiegel orientieren, wohl eher nicht von Lageso oder Jobcenter übernommen werden, da sie deren gesetzlich vorgegebenen finanziellen Rahmen übersteigen.5 Das Spiel von Henkel, Dewhurst und Polizei sowie weiteren Behörden kann an dieser Stelle nur als zynisch bezeichnet werden. Das die Medien sich derart desinformativ verhalten, war zu erwarten und ist nichts als ein Armutszeugnis für eine Medienlandschaft, die sich gerne als »frei« bezeichnet.

Was verschwiegen wird, ist, dass der Einsatz auch diesmal einem Raubzug glich. Was nicht niet- und nagelfest war, wurde von der Polizei und den kooperirenden Bauarbeiter*innen geklaut. Da dies bewaffnet und mit Gewaltanwendung geschah, passt es eigentlich auf das, was im StGB als ›schwerer Raub‹ bezeichnet wird.6 Die Inneneinrichtung der hauseigenen Bar namens ›Kadterschmiede‹ wurde genauso entwendet wie auf dem Hof angeschlossene Fahrräder. Zurück bleiben eine Truppe von Securities, welche die Bewohner*innen nun Tag und Nacht terrorisieren dürfen, und auf unbestimmte Zeit eine polizeiliche Absperre vor dem Haus inklusive der damit verbundenen Schikanen.7

Zum Schluss sei noch angebracht, dass es natürlich auch Möglichkeiten gibt, sich abseits von System- und Konzernmedien zu informieren. So hat das ›A-Radio Berlin‹ gestern recht schnell einen Kurzbericht zu den Geschehnissen des Tages verfasst8 und auch ansonsten gibt es bei dem Nachrichtenportal ›linksunten.indymedia.org‹ bereits etliche Beiträge zur Thematik, in denen auch Vorschläge für ein weiteres dezentrales Vorgehen diskutiert werden. Nicht jede*r scheint es sinnvoll zu finden, sich auf einer zentralisierten Spontandemonstration von gewalttätigen Cops zusammenschlagen und festnehmen zu lassen.9

Die Kadterschmiede lädt für heute (23.06.2016) Abend um 22:00 Uhr zum gemeinsamen Abendbrot im Rahmen eines Essens gegen Spende auf den Hof der Rigaer94 ein.10 Ob ein solch friedliches Zusammenkommen in Nachbarschaft zu uniformierten Gewalttäter*innen funktionieren wird, bleibt abzuwarten. Ein schönes Zeichen wäre es trotzdem. Kommt zahlreich.

Fußnoten:

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