Das Konzept der Stadtguerilla in Uruguay – Weiterentwicklung des kubanischen Guerillamodells oder neuer urbaner Terrorismus? (von Fabian Bennewitz)

Art des Textes: Bachelorarbeit
Urheber: Fabian Bennewitz
Erstbetreuer: Univ.-Prof. Dr. Arnd Bauerkämper
Zweitbetreuerin: Jun.-Prof. Dr. Debora Gerstenberger

 

Gliederung

1 Einleitung

2 Theoretische und methodische Grundlagen

3 El foco de las guerrillas – Die Guerillatheorie von Guevara und Debray

3.1 Voluntarismus versus »objektive Revolutionsvoraussetzungen«

3.2 Der aufständische Fokus und die Etappen des Guerillakrieges

3.3 Operationsgebiet und Revolutionsträger

4 Guerilla urbana: Das Konzept des movimiento de liberación nacional – Tupamaros

4.1 Der urbane Raum als Revolutionsherd

4.2 Die Mehrfachfunktion des bewaffneten Kampfes

4.3 Das Prinzip der coyuntura

5 Von der Land- zur Stadtguerilla: Einordnung des Guerillamodells des MLN-T

5.1 Adaptionen und Weiterentwicklungen

5.2 Differenzen zwischen den beiden Guerilla-Konzepten

5.3 Typologische Analyse

5.3.1 Funktion der Gewalt

5.3.2 Soziale Unterstützung

5.3.3 Territorialer Faktor

6 Fazit

Quellen- und Literaturverzeichnis

I Quellen

II Literatur

Fußnoten

1 Einleitung

Lateinamerika wird oft die Heimat der Guerilla genannt. Auch wenn der Guerillakrieg1 schon wesentlich früher erprobt wurde, kam es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem bedeutenden Anstieg an revolutionären, bewaffneten Bewegungen in dieser Großregion, die durch irreguläre Kriegsführung nationale Unabhängigkeit und meist eine sozialistische Veränderung der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung durchsetzen wollten. Lateinamerika stellte mit seinen extremen sozialen Gegensätzen, chronisch korrupten Eliten und den dominierenden USA ein revolutionäres Pulverfass dar. Der Sieg der Revolutionäre um Fidel Castro und Ernesto »Che« Guevara nach einer fast zweijährigen Guerillakampagne gegen das Batista-Regime und die Gründung der sozialistischen Republik Kuba hatten eine enorme Ausstrahlung auf Revolutionäre in der ganzen Welt, besonders natürlich auf die lateinamerikanische Linke. Die kubanische Revolution genoss ein immenses Prestige in der lateinamerikanischen Linken und so war es kaum verwunderlich, dass die revolutionären Strategien Kubas eifrig adaptiert wurden. Dazu trug auch die aktive Propagierung des kubanischen Revolutions- bzw. Guerillamodells durch die kubanische Regierung bei: Sie diente vor allem der Steigerung des Einflusses in Lateinamerika und der Etablierung von Havanna als drittem Zentrum der weltweiten sozialistischen Bewegung neben Moskau und Peking.

Die zunächst von Che Guevara formulierte Guerillatheorie, die später vom französischen Philosophen Régis Debray aufbereitet und weiter generalisiert wurde, wurde von Havanna publiziert und in einer großen Auflage gedruckt und verteilt. So bildeten sich – oft in Abgrenzung zu den offiziellen Kommunistischen Parteien – in solch verschiedenen Ländern wie Guatemala, Venezuela, Kolumbien, Peru und Argentinien bewaffnete Gruppen, die dem Beispiel Kubas folgen wollten. Nachdem Che Guevara bei der praktischen Umsetzung seiner Guerilladoktrin in Bolivien 1967 erschossen wurde und die dortige Guerillakampagne misslang – ein Schicksal, das die meisten aktiven Gruppen der 1960er Jahre teilten – ebbte die erste Guerillawelle nach kubanischem Vorbild ab.

Im Anschluss an das bolivianische Fanal machte eine andere Gruppe auf sich aufmerksam: das movimiento de liberación nacional – Tupamaros (MLN-T). Die Gruppe, die sich um den Jurastudenten Raúl Sendic seit Anfang der 1960er Jahre gebildet hatte, entstand in Uruguay, dem Land, welches nicht einmal von den glühendsten Verfechtern der Guerillastrategie als mögliches Operationsgebiet in Betrachtung gezogen worden war. Schließlich schien in diesem kleinen Land, das oft als die »Schweiz Lateinamerikas« bezeichnet wurde, mit seiner recht stabilen Demokratie und einer entwickelten Sozialgesetzgebung, keine akute revolutionäre Situation zu existieren. Auch konnte Uruguay keine großen unerschlossenen Gebiete vorweisen.

Das MLN-T entschied sich mit dem urbanen Großraum von Montevideo für ein völlig neues Kampffeld. Hier gelang es den Tupamaros, vor allem von 1968 bis zu ihrer Zerschlagung durch das Militär 1972, den uruguayischen Staat in mitten seines Zentrums in Bedrängnis zu bringen, immer wieder Erfolge gegen die Sicherheitskräfte zu erzielen und große Sympathien in der Bevölkerung zu ernten. Die Gruppe gilt somit als eine Begründerin der Stadtguerilla – ein revolutionäres Konzept, das die Tupamaros laut dem Guerillaexperten Fritz René Allemann beinahe zur Perfektion entwickelten und das er als die elaborierteste und erfolgreichste Form der Guerilla in Lateinamerika bezeichnet.2 Anders als die klassische Guerilla schien das Konzept der Stadtguerilla auch in Industrieländern praktikabel und so formierten sich vor allem in Westeuropa bewaffnete Gruppen, die dem lateinamerikanischen Vorbild folgten, und sich – wie etwa die Tupamaros München oder die Tupamaros West-Berlin – sogar namentlich auf die uruguayische Bewegung bezogen, selten jedoch über den Kleingruppenstatus hinauskamen. Gerade auf Grund dieser Ausstrahlung weit über die Grenzen ihres Aktionsfeldes ist die Beschäftigung mit den Tupamaros von besonderer Relevanz, handelt es sich hierbei doch nicht um nur einen weiteren Gewaltakteur unter vielen in einer konfliktreichen Großregion, sondern um einen wichtigen theoretisch-strategischen Impulsgeber für revolutionäre Gruppen weltweit. Stadtguerilla als Strategie steht gerade in der Bundesrepublik Deutschland für Terrorismus, da auch die Rote Armee Fraktion diesen Ausdruck als Selbstbeschreibung nutzte. In Uruguay besaß die Stadtguerilla trotz teils ähnlicher Praktiken eine ganz andere Dimension, dennoch wird das MLN-T in der Gewalt- und Terrorismusforschung meist als in Abgrenzung zu ihren Vorgängern nicht als Guerillaorganisation, sondern als terroristische Gruppierung geführt.3

Wie ist das Konzept der uruguayischen Stadtguerilla also einzuordnen? Diese Arbeit soll der Frage nachgehen, ob und inwiefern sich das Konzept des MLN-T direkt aus der kubanischen Guerillatheorie entwickelte, also eine Variation oder Weiterentwicklung der lateinamerikanischen Guerilla darstellt oder eher als Bruch mit der Guerillatheorie und als Konzept mit weitgehender terroristischer Aktionsstrategie anzusehen ist, was die Klassifizierung als terroristische Gruppe bestätigen würde.

Auch in der Forschung ist diese Frage umstritten. Fritz Allemann sieht in »Macht und Ohnmacht der Guerilla« die Guerillastrategie an sich sehr kritisch, Stadtguerilla sieht er als »Flucht in den Terror«, den Tupamaros attestiert er jedoch große Effizienz und Erfolg. Ein anderer wichtiger Beitrag ist Robert Lambergs »Die castristische Guerilla«4, in der die Stadtguerilla ebenso als terroristisch und bis auf die Tupamaros auch als irrelevant bezeichnet wird. Auch der Terrorismusexperte Walter Laqueur spricht in seinem Werk generell eher von »urban terror« als von Stadtguerilla.5 Der Uruguayer Arturo Porzecanski widmet den Tupamaros eine sehr detaillierte Monographie6 und kommt zu dem Schluss, dass das MLN-T wichtige neue Aspekte für revolutionäre Bewegungen lieferte und hebt vor allem den sehr politischen Ansatz der »sozialen Bewegung«, wie er die Organisation auf Grund ihrer Verankerung nennt, hervor. Alain Labrousse sieht die Gruppe in seinem Werk »Die Tupamaros. Stadtguerilla in Uruguay«7 auch eher als eine weit entwickelte militante Volksbewegung, da sie sich auf enge Verbindungen zur legalen, gesellschaftlichen Linken stützen konnte. Er ist jedoch sehr skeptisch, was eine eventuelle Vereinigung der Tupamaros und der radikalisierten Gesellschaftsschichten angeht.

Während all diese Forschungsbeiträge in den 1970er Jahren erschienen, sind aktuellere Beschäftigungen mit dem Thema eher selten: Der Band »Sozialrevolutionärer Terrorismus«8, herausgegeben von Alexander Straßner im Jahr 2008, liefert hier vor dem Hintergrund einer veränderten politischen Weltlage und neuen Forschungsmethoden wichtige Anstöße. So zum Beispiel Nina Huthöfer, die die These vertritt, die Radikalisierung und die fortschreitende Gewaltbereitschaft der Tupamaros hätten zur Niederlage geführt, da die Organisation, der sie einen erstaunlichen Erfolg in ihrer terroristischen Strategie zubilligt, sich so von der Bevölkerung entfremdete.9 Zu den Tupamaros liegt eine breite Auswahl an Literatur vor, wie das Phänomen ihres Stadtguerillakonzeptes einzuordnen ist, wurde bisher jedoch nicht abschließend beantwortet. Eine genauere Betrachtung des Konzepts des MLN-T ist auch deswegen gewinnbringend, da dies eventuell eine andere Perspektive auf verwandte Gruppierungen, die sich auch als Stadtguerilla bezeichneten, herstellen könnte. So wäre es möglich, deren strategische Konzeptionen in Relation zu den Theorien des MLN-T zu setzen, was interessante Rückschlüsse über das Wesen dieser Gruppen zu Tage fördern könnte.

Um der Frage der Einordnung der Tupamaros als Spielart bzw. Weiterentwicklung des kubanischen Guerillamodells oder aber als etwas qualitativ Neues, als terroristische Gruppierung, gewissenhaft nachgehen zu können, ist es wichtig, zunächst die theoretisch-methodischen Grundlagen dieser Arbeit etwas ausführlicher darzustellen. In Kapitel zwei wird deshalb in das typologische Schema Peter Waldmanns eingeführt, um anschließend die grundlegenden Quellen der vorzunehmenden Analyse vorzustellen.

Um das Konzept der Tupamaros im Kontext der lateinamerikanischen bzw. kubanischen Guerillatradition zu untersuchen, ist es unumgänglich, zunächst die von Guevara und Debray entwickelte Guerillatheorie kurz vorzustellen und ihre wesentlichen strategischen Ziele darzustellen. Dabei wird zuerst auf die neuen, voluntaristischen Elemente der kubanischen Ideologie eingegangen, um danach das Etappenmodell der sogenannten Fokus-Theorie zu erläutern. Im folgenden Teil soll mittels der bereits genannten Quellen, Theorie und Methodik der Stadtguerilla in Uruguay skizziert werden: Eingegangen wird hier insbesondere auf das Operationsgebiet Stadt und den Zusammenhang politischen und militärischen Vorgehens. In einem zusammenfassenden Vergleich werden anschließend Brüche und Kontinuitäten der revolutionären Theorie analysiert und so die essenziellen Elemente der Guerillatheorie der Tupamaros herausgearbeitet. In einem weiteren Schritt soll daraufhin Peter Waldmanns typologisches Schema der organisierten Gewaltanwendung gegen den Staat auf die Spezifika der uruguayischen Guerillatheorie angewandt werden, um so abschließend zu einer Einordnung und Bewertung des Modells zu gelangen.

2 Theoretische und methodische Grundlagen

In den Medien wird zwischen Terrorismus, Terror und Guerillakriegsführung selten genau unterschieden.10 Auch in der Forschung ist dies nicht immer der Fall. Ein Grund dafür ist, dass die Terrorismusforschung ein sehr politisiertes somit auch subjektiviertes Feld ist. In offiziellen Statements der jeweiligen Regierungen wird zwischen Terrorismus und Guerillakrieg kaum differenziert, meist jedoch wird der Ausdruck »Terrorist« zur Beschreibung von staatsfeindlichen Gewaltakteuren gewählt, da dieser weitaus negativer konnotiert ist als »Guerillero«. Die gegen den Staat kämpfende Gruppe wird sich hingegen selbst immer eher als »Freiheitskämpfer« oder »Guerilleros« stilisieren. Diese gewollte Unschärfe wirkt sich dabei auch auf die Forschung aus. Eine Einteilung bestimmter Gewaltakteure in die Kategorien Terrorismus oder Guerilla sollte also nicht durch subjektiv-moralisches Urteilen vorgenommen werden, vielmehr muss auf eine andere Methode zurückgegriffen werden. Die wohl prägnanteste findet sich bei Peter Waldmann.

Der Augsburger Soziologe ist Autor des bereits in dritter Auflage erschienenen Standardwerks »Terrorismus. Provokation der Macht«, in welchem er in bahnbrechender Weise den Terrorismus als kommunikative Praktik analysiert. Entsprechend kann dieser auch von verwandten Phänomenen – wie dem Guerillakrieg – abgegrenzt und Gewalt gegen den Staat mittels verschiedener Kategorien typologisiert werden. Im Aufsatz »Terrorismus und Guerilla«11 entwirft Waldmann ein typologisches Schema, welches für die vorzunehmende Analyse der Tupamaros von großer Wichtigkeit ist. Die Kategorien zur Unterscheidung von Terrorismus und Guerillakriegsführung sind nach Waldmann a) die Funktion der Gewalt gegen den Staat, b) die soziale Unterstützung der ausführenden Gruppierung, c) der territoriale Faktor und d) die Dynamik der Bewegung.12 Die Gewaltanwendung kann Waldmann zu Folge einer militärischen Logik folgen, welche die anfängliche Schwäche durch die irreguläre Kampfweise auszugleichen und die gegnerische Seite nach und nach militärisch niederzuwerfen sucht. Dies wäre das Vorgehen einer Guerillabewegung. Eine terroristische Strategie liegt hingegen vor, wenn die Gewalt nicht unmittelbar militärischen Zwecken dient, sondern vielmehr auf Symbole des Staates zielt. Auch wenn die physische Zerstörung verheerend sein kann, ist sie nicht Primärzweck der Attacke. Wichtiger ist dem Terroristen hierbei die psychologische Wirkung, also die Erzeugung einer Atmosphäre von Angst und die Diskreditierung des Staates als machtlos. Der Staat soll zu Überreaktionen provoziert und somit die »Gegengewalt« der Terroristen als legitim dargestellt werden. Letztendlich sollen Regierung und Bevölkerung so voneinander entfremdet werden, dass sich letztere den Terroristen anschließt und die Regierung zu Fall bringt.

Der zweite Faktor ist die soziale Unterstützung der bewaffneten Gruppe. Während Terroristen hoch konspirativ handeln müssen und durch ihre Gewaltausübung oft von der Bevölkerung entfremdet sind und somit nur über eine kleine Unterstützerbasis – meist bei radikalen Intellektuellen der bürgerlichen Mittelschicht – verfügen, ist das Kennzeichen der Guerilla der direkte Kontakt mit der Bevölkerung, meist auf dem Land. Um militärisch überhaupt handlungsfähig zu sein, braucht die Guerilla die Unterstützung der Bevölkerung, die sich von der Guerillakampagne eine direkte Verbesserung ihrer Lebensumstände erhofft, um Lebensmittel, Rückzugsmöglichkeiten, genaue Ortskenntnisse, Informationen und Rekruten zu bekommen.

Der dritte wichtige Punkt ist die territoriale Basis der »bewaffneten Avantgarde«. Der Terrorist lebt davon, nirgends auffindbar zu sein und überall jederzeit zuschlagen zu können – was die Verbreitung von Angst und Unsicherheit zweifelsohne erhöht. Er lebt konspirativ innerhalb der zu bekämpfenden Gesellschaft. Der Guerillero hingegen muss über eine Basis verfügen, meist in schwierig erreichbarem Gelände, von wo er Angriffe startet und sich zurückziehen kann. Das Gelände soll gehalten werden und dort bereits eine revolutionäre neue Staatlichkeit entstehen.

Kategorie d) betrifft die Dynamik der Bewegung. Hier geht Waldmann davon aus, dass die historische Erfahrung zeige, dass Guerillakampagnen erfolgreich verlaufen können, Terroristen aber nie eine Revolution erreichen konnten, sondern dass die terroristische Strategie durch eine Verschärfung der Repressionsgesetze und eine Einschüchterung der Bevölkerung sogar kontraproduktiv sei. Da jedoch das Typologisieren einer bewaffneten politischen Gruppe a priori an Hand angenommener – oder auch tatsächlicher – Erfolgsaussichten wenig überzeugend erscheint, sollen für die Einordnung des MLN-T nur Waldmanns Punkte a – c zur Anwendung kommen, welche zudem auch schlüssiger mit den dieser Arbeit zu Grunde liegenden theoretischen Quellen korrespondieren.

Die zur Verfügung stehenden Quellen bei der Beschäftigung mit revolutionären bewaffneten Gruppen lassen sich grob in zwei Hauptfelder einteilen. Einerseits liegen an die Öffentlichkeit gerichtete Publikationen vor, die die eigenen Aktionen rechtfertigen und erklären sollen, andererseits existieren – gerade bei klandestinen Gruppen – schwerer zugänglicher interner Schriftverkehr, Anweisungen und Propaganda.

Diese Arbeit will die theoretisch-strategische Konzeption zweier Typen revolutionärer Bewegungen untersuchen, und so ist es naheliegend, dass sich vor allem auf Schriften zur Guerillatheorie und strategische Kommuniqués gestützt wird. Hierbei wird von der Prämisse ausgegangen, dass der theoretische Output einer sozialrevolutionären Bewegung, der sich bei den beiden zu behandelnden Typen meist an Guerillamitglieder, (potenzielle) Sympathisanten und die interessierte Öffentlichkeit richtet, für die jeweilige revolutionäre Praxis von großer Relevanz ist, da jene nicht allzu sehr von den theoretischen Verlautbarungen abweichen darf, um nicht unglaubwürdig zu erscheinen.

Wie in der Einleitung bereits angeklungen, existiert zum kubanischen Guerillamodell eine Vielzahl an theoretischen Texten. Grundlegende Texte sind hier zum Beispiel Che Guevaras »Der Guerillakrieg«, »Guerillakrieg: eine Methode« und seine Botschaft an die Trikontinale »Schaffen wir ein, zwei, viele Vietnam«13, sowie »Revolution in der Revolution?«14 von Régis Debray. In diesen Werken ziehen die Autoren Lehren aus der kubanischen Guerillakampagne und formulieren eine vollständige Revolutions- und Guerillatheorie. Die Tupamaros verfügten weder in ähnlichem Maße über ideologische Führer wie die kubanisch inspirierten Guerillagruppen, noch gaben sie große theoretische Abhandlungen über den bewaffneten Kampf heraus. Dies ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass die Tupamaros – anders als die kubanischen Revolutionäre – sich nicht nach Eroberung der Regierungsgewalt auf einen Staat zur Verbreitung ihrer Ideen stützen konnten. Andererseits war das Verzichten auf größere theoretische Traktate durchaus eine bewusste Entscheidung der Gruppe: Sie hofften dadurch zum einen dem Sektierertum innerhalb der Linken entgehen zu können, andererseits gingen sie pragmatisch davon aus, dass die Theorie letztlich aus der Praxis der bewaffneten Aktion hervorgehen würde.15

Selbstverständlich verfügten sie dennoch über theoretisch-strategische Dokumente. Die »Actas tupamaras« ist eine von der Gruppe herausgegebene Selbstdarstellung und Beschreibung der wichtigsten Aktionen. Eine gekürzte ins Deutsche übertragene Ausgabe mit dem Titel »Wir, die Tupamaros« erschien 1974 im Rotbuch-Verlag.16 Eine Zusammenstellung der Kommuniqués und Dokumente des MLN-T erschien bereits 1971 unter dem Titel »Tupamaros. Antología documental«17. Gesammelt und herausgegeben wurden diese wertvollen Quellen vom mexikanischen centro intercultural de documentación (CIDOC). 1973 folgte dann die »Documentación propia« in der belgischen Reihe information documentaire d’Amérique Latine (INDAL), welche sich durch eine hohe Übersichtlichkeit auszeichnet und auf die sich diese Arbeit maßgeblich stützt.18 Eine ähnliche, jedoch weniger ausführliche Zusammenstellung liefert das centro de documentación de los movimientos armados (CEDEMA), welches sich die Erforschung bewaffneter Bewegungen in Lateinamerika zur Aufgabe gemacht hat und auf dessen Website die Dokumente zum Download bereit stehen.19 Die Thesen dieser Arbeit stützen sich maßgeblich auf zwei strategische Dokumente des MLN-T: Das sogenannte documento no. 1 von 1967, d.h. aus einem relativ frühen Stadium, und das documento no. 5 aus dem Jahre 1971, als die Bewegung auf dem Höhepunkt ihres Einflusses war. Beide Dokumente liefern wichtige Gesellschaftsanalysen und grundlegende militärische und politische Theorien des MLN-T.20 Weitere theoretische Beiträge zur Stadtguerilla, welche die Tupamaros rezipierten ist Abraham Guilléns »Strategie der Stadtguerilla« von 1966.21 Sicherlich hatte auch Carlos Marighellas »Minihandbuch des Stadtguerilleros« Einfluss auf das MLN-T, doch ist es – wie der Name schon sagt – eher eine Ansammlung von Hinweisen und ein Praxisleitfaden für den Stadtguerillero als eine theoretische Annäherung an das Phänomen und bleibt somit für diese Arbeit unerheblich.

3 El foco de las guerrillas – Die Guerillatheorie von Guevara und Debray

Die Erfahrungen der kubanischen Revolution fasste Che Guevara in seinen berühmten »drei Lehren aus Kuba« zusammen:

»1. Die Kräfte des Volkes können einen Krieg gegen eine reguläre Armee gewinnen. 2. Nicht immer muss man warten, bis alle Bedingungen für eine Revolution gegeben sind, der aufständische Fokus kann solche Bedingungen selbst schaffen. 3. Im unterentwickelten Amerika müssen Schauplatz des bewaffneten Kampfes grundsätzlich die ländlichen Gebiete sein.«22

Diese Leitsätze stellen bereits den Kern seiner Guerillatheorie dar und sollten auf alle lateinamerikanischen Länder übertragbar sein. Régis Debray sollte Guevaras Thesen noch weiter generalisieren und philosophisch untermauern, die Kernaussagen blieben dabei jedoch weitgehend unverändert. Im Folgenden soll nun kurz auf die einzelnen Aspekte der Theorie eingegangen werden, wobei zunächst das voluntaristische Prinzip beleuchtet wird, um anschließend auf die Idee des aufständischen Fokus einzugehen.

3.1 Voluntarismus versus »objektive Revolutionsvoraussetzungen«

Die ersten beiden Thesen sind klar gegen die von Che Guevara als »Pseudorevolutionäre« bezeichneten traditionellen Vertreter der revolutionären Linken, also meist die Führer der Kommunistischen Parteien, gerichtet.23 Deren Warnung, dass eine reguläre Armee vom Volk nicht militärisch zu besiegen sei, sieht er durch die Geschehnisse auf Kuba als widerlegt an. Auch die klassische marxistische Argumentation, dass vor einer Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse zunächst die objektiven und subjektiven Revolutionsvoraussetzungen geschaffen werden müssen, das heißt, dass durch politische Arbeit das Klassenbewusstsein des Proletariats einen solchen Grad erreicht haben muss und die Polarisierung der Gesellschaft in Kombination mit einer Krise des Kapitalismus die bewaffnete Übernahme des Staates unausweichlich macht, wird als Passivität zurückgewiesen. Das Ausschöpfen aller legalen Mittel und somit das lange Warten darauf, dass die Revolutionsbedingungen sich endlich einstellen, wertet Guevara als Opportunismus einer Funktionärselite, die in Wahrheit von ihrer Stellung als Berufspolitiker im herrschenden System profitiert.

Diese Stellungnahme gegen die etablierten Kommunistischen Parteien und damit auch gegen die Strategie der Sowjetunion, vor allem aber der eigentlich unmarxistische Voluntarismus der Thesen, stellt einen wichtigen Bruch in der Revolutionstheorie dar. Statt der revolutionären Organisierung der Arbeiterklasse, soll eine relativ kleine Gruppe von bewaffneten Berufsrevolutionären die Bedingungen der Revolution selbst schaffen. Guevara geht sogar so weit zu behaupten, 30 bis 50 Guerilleros könnten in jedem beliebigen Land Lateinamerikas mit dem bewaffneten Kampf beginnen und so eine Revolution vorbereiten.24 Der absolute Führungsanspruch der Guerilla, den Guevara bereits fordert, wird von Debray noch vehementer postuliert:25 Die Guerilla ersetze Partei und Massenkampf, sie sei außerdem der Nucleus der zukünftigen Kommunistischen Partei und könne deshalb unabhängig von den bestehenden Parteien operieren. Die Organisation der Guerilla müsse dabei der Gründung der revolutionären Partei voraus gehen, denn nur im bewaffneten Kampf kristallisiere sich die wahre Avantgardepartei heraus – nur durch das Primat der Guerilla über die Partei ist es möglich, dem politischen Stillstand zu entkommen und die Massen zu politisieren, nicht vice versa.26

Die Guerilla sieht sich angelehnt an Lenin als politisch-militärische Avantgarde, deren Aufgabe die Agitation der Massen durch das revolutionäre Beispiel, dem militärischen Vorgehen gegen die reguläre Armee, ist. Trotz dieses sehr idealistischen Konzeptes, das die politische Analyse einer Gesellschaft quasi überflüssig macht – werden sich doch alle Revolutionsvoraussetzungen in jedem Land aus der Praxis heraus entwickeln – sind gewisse »objektive« Revolutionsvoraussetzungen bei einem Guerillaunternehmen jedoch unabdingbar und werden vorausgesetzt.27 Die Unterstützung der lokalen Bevölkerung ist laut Guevara eine Bedingung sine qua non. Die Sympathie der armen Landbevölkerung, eine prinzipiell revolutionäre Grundhaltung wird dabei als gegeben vorausgesetzt. Die Guerilla ist somit lediglich die bewaffnete Vorhut der Bevölkerung. Um sich deren Sympathie auf langer Sicht sicher sein zu können, muss der Guerillero für die Interessen der Bauern kämpfen, und zwar nicht mit Parolen, sondern durch bewaffnete Maßnahmen, die als Propaganda sehr viel direkter wirken.28

3.2 Der aufständische Fokus und die Etappen des Guerillakrieges

Die revolutionäre Situation soll also durch die Guerilla selbst hergestellt werden. Guevaras Guerillatheorie – oft auch Fokustheorie genannt – empfiehlt dazu die Errichtung eines Guerillafokus, also eines aufständischen Brennpunktes. Der Fokus (spanisch: foco) ist ein Revolutionsherd, der von einer kleinen Gruppe ausgebildeter Berufsrevolutionäre im Hinterland eines Staates gebildet wird. Der Guerillakrieg ist dabei eine »Methode, um ein Ziel zu erreichen. Dieses (…) Ziel ist die Eroberung der politischen Macht.«29 Die Fokustheorie – angelehnt an die maoistische Volkskriegsdoktrin30 – geht von drei Etappen im Kampf aus.31

Der Guerillafokus sieht sich zunächst deutlich überlegenen Kräften des Staates gegenüber, weswegen er unwegsames, spärlich besiedeltes Gelände als Operationsbasis wählt. In dieser Phase der strategischen Defensive ist die Guerilla gezwungen, permanent in Bewegung zu bleiben, dem Gegner auszuweichen und Angriffe nur dann durchzuführen, wenn sie durch ein temporäres Übergewicht den Erfolg garantieren. Dabei soll vor allem die Stärke des Gegners getestet werden, das Gelände erkundet und erste Kontakte zu den Bauern geknüpft werden, auf deren Unterstützung die Guerilla angewiesen ist. Nach und nach errichtet der Guerillafokus die ersten festen und für den Gegner unzugänglichen Basen mit einer gewissen Infrastruktur, wie Munitionslager, Lazarette etc. Durch permanente Angriffe auf die gegnerischen Kräfte werden diese von den Basen abgedrängt. Dort entsteht dann als erstes eine Art Gegenstaat nach revolutionären Prinzipien mit Gesetzgebung, Justiz und Bildungseinrichtungen für die Rekruten. Parallel dazu muss die Bevölkerung permanent über die Ziele der Guerilla unterrichtet und politisch gebildet werden, um so – in Kombination mit der Strahlkraft der militärischen Erfolge des foco – immer mehr Teile der Bevölkerung zu Unterstützern der Guerilla zu machen.

In dieser Phase des Krieges halten sich die revolutionären Kräfte und die regulären Truppen mehr oder weniger die Waage. Wächst ein Fokus an Kämpfern, Logistik und Bewaffnung zu einer bestimmten Größe heran, spaltet sich der Fokus und gründet neue revolutionäre Brennpunkte in anderen Gebieten des Landes, die denselben Zyklus durchlaufen und dann wieder Ableger schaffen. So schafft die Guerilla immer größere »befreite Gebiete« und kann sodann in einer letzten Phase der strategischen Offensive stärkere Verbände des Gegners angreifen und Städte erobern. Dazu vereinigen sich die verschiedenen Guerillaherde und bilden eine Frontlinie. Sie führen nun einen Positionskrieg im Stile einer regulären Armee – klassische Guerillaverbände operieren parallel dazu allerdings weiter im gegnerischen Hinterland.

3.3 Operationsgebiet und Revolutionsträger

In Lateinamerika muss der bewaffnete Aufstand sich auf die ländlichen Gebiete konzentrieren – so die dritte »Lehre von Kuba«. Das weitgehende Fehlen der klassischen revolutionären Klasse des Industrieproletariats im agrarisch geprägten Lateinamerika und die zu großen Teilen unwegsamen, riesigen Gebiete dieser Großregion scheinen die ländlichen Gebiete für den Guerillakampf zu prädestinieren. Der Revolutionsträger ist die arme Landbevölkerung, die campesinos, welche sich von der Revolution eine Landreform und so eine Verbesserung ihrer sozialen Lage erhoffen. Die Bauernschaft stellt den Rekrutierungspool der Guerilla dar und bietet ihr Schutz. Um sich der lebensnotwendigen Unterstützung der campesinos zu versichern, muss der Guerillero die Landreform als wichtige Forderung aufnehmen, der Guerillero ist bei Guevara »hauptsächlich und vor allem anderen ein Agrarrevolutionär«.32

Die genaue Kenntnis des Geländes und seine Verstecke und Rückzugsmöglichkeiten sind der größte Schutz der Guerilla, und gerade in der Anfangsphase eines Fokus unentbehrlich. In einem fortgeschrittenen Stadium kann der Kampf natürlich auch die Städte erreichen. Guevara geht davon aus, dass Guerillaeinheiten in der Stadt einen wichtigen Beitrag leisten können, vor allem durch Sabotageaktionen, und schreibt, dass die Aktionen in der Stadt allgemein zu wenig beachtet würden.33 Andererseits relativiert er die Bedeutung der Stadtguerilla sofort wieder, da diese nur in kleinen Zellen operieren könne und komplett dem Oberbefehl der Landguerilla unterstellt werden müsse. Die Guerilla in der Stadt könne dem Feind zwar Schaden zufügen, sein militärisches Potenzial allerdings bliebe davon weitgehend unberührt. Die Einnistung eines Fokus sei in städtisch-industriellen Gebieten in der Regel nicht möglich.34 Während die Sabotage der feindlichen Infrastruktur eine begrüßenswerte Kampfform darstellt, ist es nach Guevara wichtig, diese unbedingt vom kontraproduktiven Terror gegen die Bevölkerung oder einfache Soldaten des Gegners abzugrenzen, da dies die Bevölkerung von der Guerilla entfremde. Legitime Ziele sind somit nur solche, die die Kampfkraft des Gegners konkret treffen.35

4 Guerilla urbana: Das Konzept des movimiento de liberación nacional – Tupamaros

Das movimiento de liberación nacional – Tupamaros verfügt weder über ein theoretisches Hauptwerk noch über ideologische Autoritäten vom Format eines Che Guevara oder Fidel Castro. Die vielen an die Öffentlichkeit gerichteten Kommuniqués und Erklärungen lassen dennoch ein klares Bild des Guerillamodells der Tupamaros entstehen, das im Folgenden in Kürze dargestellt werden soll. Dabei wird zunächst das wohl offensichtlichste Merkmal einer Stadtguerilla, nämlich der Aktionsraum Stadt, beleuchtet, welchen die Bewegung in seinen Möglichkeiten immer wieder analysierte und auch gegen das vorherrschende Dogma des Landkrieges verteidigte. Im Anschluss wird die Funktion der politischen Gewalt im Eskalations- und Revolutionsmodell des MLN-T skizziert, um dann das Prinzip der coyuntura, das entscheidende Instrument zur Bestimmung der politisch-militärischen Taktik, darzustellen. Die Ausführungen und die ausgewählten Quellen beziehen sich auf die aktivste Phase der Tupamaros, also ungefähr auf die Jahre 1968 – 1972.

4.1 Der urbane Raum als Revolutionsherd

Vergegenwärtigt man sich die Entstehungsgeschichte der frühen Tupamaros, ist es verwunderlich, dass nicht das Land als Operationsbasis gewählt wurde. Schließlich waren Gründungsmitglieder der Tupamaros um Raúl Sendic auf das Land gegangen um die Cañeros, die Arbeiter der Zuckerplantagen, zu organisieren. Die dort entstandenen Kontakte, das soziale Umfeld, die ersten Zusammenstöße zwischen Gewerkschaften und Sicherheitskräften und die Kenntnis des Terrains hätten sicherlich dafür gesprochen.36 Während es in dieser Frühphase, als sich die Bewegung noch nicht als MLN-T konstituiert hatte, schon verstärkt zu Aktionen in Montevideo kam, entschied sie sich später auch grundsätzlich für den bewaffneten Kampf im urbanen Raum.

Diese Entscheidung beruhte auf der gründlichen Analyse der uruguayischen Gesellschaft und Geographie. Die Installation eines Guerillafokus auf dem Land, der sich festsetzen und der Vernichtung entgehen kann, hielten die Tupamaros für nicht realisierbar.37 Das kleine Uruguay verfüge schließlich nicht über große Gebirgsketten oder andere unzugängliche und leicht zu verteidigende Gebiete. Dafür existiere mit dem Großraum Montevideo ein riesiges urbanes Zentrum von 300 Quadratkilometern, in welchem mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes lebe. Diese geographische Gegebenheit zwang die Tupamaros dazu, neue Strategien zu entwickeln und machte es unmöglich die Strategie der meisten revolutionären Bewegungen Lateinamerikas zu kopieren, die über andere Ausgangslagen verfügten.38 Auch wenn in Uruguay keine Landguerilla entstehen könne, dürfe die revolutionäre Aktion deshalb nicht warten – allerdings könne sie nicht nach klassischer Manier durchgeführt werden.39 Das documento no. 1 spricht ferner davon, dass die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes in der Stadt nicht nur der Analyse der konkreten uruguayischen Situation, sondern auch der internationalen Erfahrungen entspringe. Dies ist sicherlich eine Anspielung auf das Scheitern der meisten Guerillaunternehmen in Lateinamerika in den 1960er Jahren, welches auch in der Forschung als wichtiger Faktor beim »Umzug« der Guerilla in die Stadt gesehen wird. Antonio Mercader und Jorge de Vera verweisen außerdem auf das historische Beispiel der starken Guerillaeinheiten in Caracas während den revolutionären Erhebungen in Venezuela 1962/63.40

Weitere Vorteile des Guerillakrieges in der Stadt sahen die Tupamaros in der Charakteristik einer Groß- und Hauptstadt:41 Auch die Stadt biete Rückzugsmöglichkeiten, da die Kämpfer sich geschützt durch die schiere Masse der Bevölkerung bewegen und sich im Gewirr der Straßen unauffällig nähern und zurückziehen könnten. Die Guerilleros bewegen sich dabei in bekanntem Terrain und können durch persönliche Kontakte und Umfeld eher auf Schutz und Hilfe zählen als in unbekannten ländlichen Gebieten. Die Metropole ist das Herz des Staates, alle möglichen relevanten Ziele sind stets in Reichweite – der Propagandaeffekt in einer von allgegenwärtigen medialen Aufmerksamkeit geprägten Umgebung ist dabei weitaus höher als in peripheren Landesteilen. Zwar werden die bewaffneten Kräfte des Staates – Polizei und Militär – in der Hauptstadt am konzentriertesten in Erscheinung treten, sind dabei jedoch in ihrer Bewegung stark eingeschränkt, da sie sehr viele neuralgische Punkte bewachen müssen und sind so darüber hinaus gezwungen, sich zu verteilen. Die Logistik der Guerilla vereinfacht sich in der Stadt enorm, da der lebenswichtige Nachschub an Lebensmitteln, Munition, Medikamenten etc. vor Ort beschafft werden kann und nicht in den foco des Landes geschmuggelt werden muss.

Klandestines Handeln ist in der Stadt von großer Bedeutung, da es den Mangel an natürlichem Schutz und Rückzugsmöglichkeiten, wie es das Land bietet, kompensiert. Die Tupamaros entwickelten ein komplexes Zellensystem, welches die Kontakte zwischen einzelnen Mitgliedern und Zellen stark begrenzte. Diese Anonymität sollte verhindern, dass nach Verhaftung einzelner Guerilleros weitere Teile der Organisation aufgerollt werden konnten.42 Viele dieser Vorzüge des städtischen Guerillakampfes, die in der Argumentation der Tupamaros auftauchen und vermutlich übernommen wurden, finden sich bereits 1966 bei Abraham Guillén, der hinzufügt, dass jede andere Kampfform in einer städtischen Gesellschaft wie Uruguay reiner Dogmatismus sei.43

Die Stadt als revolutionärer Raum erschien den Tupamaros auch deshalb günstig, da sie im politisierten Klima von Montevideo mit seinen Parteien, Gewerkschaften, Hochschulen und Medien weit eher Sympathisanten erwarten konnten als auf dem rückwärtsgewandten Land, das von Gutsbesitzern dominiert wurde.44 Im Falle einer Invasion Uruguays durch die USA, wahrscheinlicher jedoch durch die Diktaturen der großen Nachbarländer Argentinien und Brasilien, mit der bei einer eventuellen Niederlage der uruguayischen Regierung stets gerechnet wurde, bot der Guerillakampf in der Stadt die besten strategischen Voraussetzungen. Eine solche Möglichkeit war im Sinne einer kontinentalen revolutionären Strategie von den Tupamaros stets miteinberechnet und könnte sogar positiv sein, da die ausländische Besatzung weite Teile der Bevölkerung ins revolutionäre Lager übergehen ließe.45

Aktionen auf dem Land werden jedoch nicht komplett ausgeschlossen, nur für die Bildung eines foco hat es keine Bedeutung. Hingegen ist es als Rückzugs- und Rekrutierungsort, und für kleinere Überfälle zur Zersplitterung der feindlichen Kräfte durchaus geeignet, gerade da auf Grund der extrem geringen Bevölkerungsdichte im Hinterland Bewegungen möglich sind, ohne entdeckt zu werden. Das ohnehin schwache Militär sei auf die Hauptstadt konzentriert und könne das Land nur in geringem Maße überwachen.46 Das Land kann aber in Uruguay – zumindest bis zur finalen Etappe des Kampfes – nur Nebenschauplatz sein. 1972, nach einigen erfolgreichen Offensiven des MLN-T, wurden in der Tat auch Landkolonnen gebildet. Diese wurden jedoch bald durch das Militär zerschlagen und spielten höchstens eine Nebenrolle in Guerillakonzeption und -praxis.

4.2 Die Mehrfachfunktion des bewaffneten Kampfes

Nach der Analyse der uruguayischen Gesellschaft, die sich in 1960er Jahren in einer Wirtschaftskrise befand und deren Arbeiterklasse und Mittelschicht überwiegend städtisch und zu großen Teilen gewerkschaftlich organisiert war, kamen die Tupamaros zu folgenden Schlüssen:47 Die objektiven Bedingungen, also die ökonomische und soziale Krise, für eine revolutionäre Situation bestünden bereits, die subjektiven Faktoren, also das revolutionäre Bewusstsein und die entsprechende Organisation, allerdings nicht. Da die uruguayische Oligarchie zu radikalen Reformen zur Lösung der Krise nicht bereit sei, könne der legale Weg zur Veränderung via Wahlen nicht von Erfolg gekrönt sein.48 Die einzige Möglichkeit für eine revolutionäre Veränderung hin zum Sozialismus sei somit der bewaffnete Kampf, welcher durch seine Praxis wiederum die subjektiven Revolutionsbedingungen erzeuge:

»… die revolutionäre Aktion an sich, die Tatsache selbst, sich zu bewaffnen, sich vorzubereiten, sich auszurüsten, Dinge voranzutreiben, die die bürgerliche Legalität verletzen, schafft revolutionäres Bewusstsein, revolutionäre Organisation und revolutionäre Bedingungen.«49

Wie in der Fokustheorie – das MLN-T sprach auch des Öfteren von einem urbanen foco – steht hier das voluntaristische Prinzip im Vordergrund. Auch wenn noch nicht alle Bedingungen für die Revolution gegeben sind, so ist es die Aufgabe des Berufsrevolutionärs durch eine bewaffnete Formation diese Bedingungen herzustellen. Die bewaffnete Aktion erhält hier eine mehrfache Funktion, da sie zum einen die Kräfte des Gegners angreifen soll, zum anderen soll durch diese Angriffe die eigene revolutionäre Gruppe ausgebildet und professionalisiert werden und darüber hinaus durch den propagandistischen Effekt die Bevölkerung ins Lager der Guerilla getrieben werden.50 Auch ist der Aufbau eines bewaffneten Apparats im revolutionären Lager unabdingbar, da potenziell aufkommende revolutionäre Situationen sonst nicht optimal genützt werden könnten. Es wäre sogar unverantwortlich, auf eine revolutionäre Situation hinzuarbeiten und den bewaffneten Apparat zu vernachlässigen, da die Bevölkerung in einer solchen Situation den Repressionskräften quasi schutzlos ausgeliefert wäre.51

Dies kann auch als Kritik an den etablierten linksradikalen Parteien verstanden werden, die den bewaffneten Kampf als revolutionäre Strategie ablehnen. Die wahrhaft revolutionäre Partei wird sich aus der Praxis des bewaffneten Kampfes entwickeln, der Gradmesser für eine sich als revolutionär verstehende Organisation ist also ihre Haltung zum bewaffneten Kampf.52 Die entscheidende Aufgabe der Revolutionäre sei somit die Errichtung militärischer statt politischer Brennpunkte, denn die politische Bewegung entstehe aus dem militärischen Fokus. Neben der sich entwickelnden Einheit der revolutionären Kräfte und dem Aufbau der revolutionären politisch-militärischen Avantgarde der Guerilla, ist der Hauptzweck der bewaffneten Aktion aber vor allem die Schaffung der revolutionären Situation. Dazu entwickelte das MLN-T ein theoretisches Ablaufmuster.53

Zunächst wird die Organisation aufgebaut, Guerilleros werden rekrutiert und eine Infrastruktur mit Verstecken und Waffenlagern wird geschaffen. In dieser Phase muss es vor allem um bewaffnete Propaganda gehen, um den Staat zu diskreditieren, das Gewaltmonopol zu brechen und die politisiertesten Teile der Bevölkerung zu Unterstützern der Guerilla zu machen. Die einsetzenden verschärften Gegenangriffe der staatlichen Organe werden den Kampf auf eine zweite Stufe heben, in welcher es zu direkten Kämpfen kommt, die taktischer und nicht mehr überwiegend propagandistischer Natur sind. Dabei ist die Guerilla zwar generell in der Defensive, führt jedoch offensiv einen Zermürbungskrieg gegen die staatlichen Kräfte. Die permanente politische Gewalt führt zu einem konfrontativen Klima und einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft, die sich immer mehr zwischen Staat und den Tupamaros entscheiden muss. Die Guerilla wird durch ihr Fortdauern zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft und schart durch ihre Präsenz im öffentlichen Leben immer mehr Anhänger um sich. Durch das Anwachsen der Guerilla plus Sympathisantenkreis und auf Grund des militärischen Patts zwischen Guerilleros und staatlichen Kräften, kommt es zur dualidad de poder, einer Machtdualität im Staat. Es existiert bereits ein Machtbereich der Guerilla, den sie faktisch kontrolliert, auch wenn er nicht territorial gehalten wird. Dort kann sie ihre Propaganda voll entfalten, eine klandestine »Regierung« tritt auf und übt bereits (gegen)staatliche Funktionen aus, wie etwa Steuereintreibung oder Justiz: Das MLN-T schuf in der Tat sogenannte Volksgefängnisse, in denen es entführte und von ihm verurteilte Personen, wie etwa uruguayische Industrielle und staatliche Funktionäre, aber auch Ausländer, wie z.B. CIA-Agenten, teilweise jahrelang festhielt, ohne dass der uruguayische Staat dies verhindern konnte.54

Die faktische Macht der Guerilla führt dann zu einer Verankerung in beinahe allen Teilen der Gesellschaft führen. Um einer Normalisierung des Kriegszustandes zu entgehen, eskaliert die Guerilla ihre Attacken, bildet neue Kolonnen – auch in Teilen des Hinterlandes – und zerstört schließlich die Hauptmacht der gegnerischen Kräfte. Nun kommt es zu einem qualitativen Sprung, el salto, und durch einen Volksaufstand unter Führung der Tupamaros wird die Regierungsgewalt erobert und die bisherige Schattenregierung eingesetzt.

4.3 Das Prinzip der coyuntura

Die Aufgabe der Guerilla in jeder Etappe ist das Aufrechterhalten der operativen Fähigkeit und durch politisch-militärische Praxis das Erreichen einer höheren Stufe des Kampfes. Welche Aktionen sich förderlich auf die Erreichung der jeweiligen Zielsetzungen auswirken können, welche Taktik zu einem bestimmten Zeitpunkt angemessen ist, darüber gibt die coyuntura, die »revolutionäre Konjunktur«, Aufschluss.55 Die Analyse der coyuntura ist eines der wichtigsten theoretischen Konzepte des MLN-T, da es die revolutionäre Aktion leitet. Der Übergang zu einem höheren Niveau des Kampfes (el salto), kann nur Gestalt annehmen, wenn bestimmte Bedingungen gegeben sind. Die coyuntura setzt sich aus politischen, militärischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Faktoren zusammen. Ihre Bewertung muss dabei stets auf interne und externe Aspekte der jeweiligen Faktoren eingehen, d.h. auf die gesellschaftlichen Aspekte oder auf den Zustand der Guerillaorganisation. So können zum Beispiel der Organisierungsgrad und die Vorbereitung der Organisation sehr weit fortgeschritten sein und eine bestimmte Aktion, wie etwa eine Entführung, möglich erscheinen lassen. Kommt die Bewegung nach dem Studium der coyuntura jedoch zu dem Entschluss, dass die externen Bedingungen nicht so günstig sind, da Entführung und Freiheitsberaubung von der Bevölkerung als nicht legitimes Mittel eingestuft würden, kann die Aktion nicht durchgeführt werden, da dies der Beziehung zwischen Massen und Organisation schaden würde.56 Andererseits kann eine günstige Situation für eine bestimmte Aktion verstreichen, wenn die internen Bedingungen dafür nicht gegeben sind. Unerlässlich ist also eine stete coyuntura-Analyse, die jeden militärischen Schritt begleiten muss, sie bestimmt die Wahl der anzuwendenden Strategie. Der Guerillafokus kann bestimmte Bedingungen, die für die Verschärfung des Kampfes benötigt werden, jedoch auch selbst schaffen: Im gewählten Beispiel müsste die Guerilla durch intensive Propaganda und Offenlegen ihrer Gründe die Aktion im Vorfeld bei der Bevölkerung als legitim erscheinen lassen.

Bezugnehmend auf das revolutionäre Schema der Tupamaros lässt sich also sagen, dass durch gesellschaftliche Polarisierung, Machtdualität und Ausweitung der militärischen Operationen in Kombination mit der gewachsenen Zustimmung in der Bevölkerung und der Ausbreitung des bewaffneten Apparates, eine solch günstige coyuntura entsteht, dass Volksaufstand und direkter Angriff auf die Regierung möglich und zu diesem Zeitpunkt richtig sind. Gerade in Uruguay, welches durch langen relativen Wohlstand und Sicherheit, nicht im vergleichbaren Maße wie andere lateinamerikanische Länder über eine »Tradition der politischen Gewalt« verfügte, war die Beachtung der coyuntura für die Tupamaros besonders wichtig und sicherlich auch entscheidend für ihren lang anhaltenden Erfolg.57

5 Von der Land- zur Stadtguerilla: Einordnung des Guerillamodells des MLN-T

5.1 Adaptionen und Weiterentwicklungen

Betrachtet man die beiden hier skizzierten Guerillakonzepte, so lässt sich feststellen, dass das MLN-T wichtige Kernthesen des kubanischen Guerillamodells übernahm bzw. weiterentwickelte. Bereits durch häufiges Zitieren Guevaras und Debrays in den meisten Dokumenten wird eine ideologische Übereinstimmung suggeriert. Beide Konzepte brechen mit dem klassischen marxistischen Revolutionsmodell und setzen auf die bewaffnete Aktion einer revolutionären Vorhut, welche die Bevölkerung aus ihrer Passivität befreien und durch das Herstellen der konkreten Kampfsituation revolutionäres Bewusstsein schaffen soll. Es müssen nicht alle Revolutionsvoraussetzungen bestehen, denn »der aufständische Fokus kann solche Bedingungen selbst schaffen«.58 Die Tupamaros kommen in ihrer Analyse zum selben Schluss, wenn sie schreiben: »In unserem Land gibt es objektive Bedingungen für die revolutionäre Aktion. In unserem Land gibt es keine subjektiven Bedingungen. (…) Die subjektiven Bedingungen entstehen im Kampf.«59

Die Tupamaros denken dabei – genau wie Guevara – nicht an einen schnellen Sieg im Sinne eines Staatsstreiches, sondern an einen von Mao inspirierten »langwierigen« Krieg, der von einem Fokus aus immer neue Zellen errichtet, den Gegner zermürbt und so schließlich das Gleichgewicht der Kräfte zu seinen Gunsten entscheiden kann.60

Auch in den strategischen Phasen stimmt das Guerillamodell der Tupamaros mit dem Guevaras überein. Darüber hinaus wird tendenziell der Organisation der Guerilla mehr Bedeutung beigemessen als dem Aufbau einer revolutionären Massenpartei. In Gegensatz zu Guevara und Debray, die stets betonen, dass die Guerilla die einzig wahre revolutionäre Kraft ist und scharf gegen die traditionellen Kommunistischen Parteien polemisieren, schlagen die Tupamaros vorsichtigere Töne an.61 Zwar gehen sie auch davon aus, dass die traditionellen revolutionären Parteien sich in einer Sackgasse befinden und nur der bewaffnete Kampf die Möglichkeit der Revolution eröffnen kann und stellen sogar fest, dass nur dann eine Organisation revolutionären Prinzipien folgt, wenn sie sich auf den bewaffneten Kampf vorbereitet, jedoch sehen sie auch die Bedeutung dieser Organisationen für die Politisierung der Bevölkerung. Dementsprechend hat ihre Kritik vornehmlich solidarischen Charakter.62 Zwar beharrten die Tupamaros auf der Richtigkeit ihres Konzepts und dem Primat des militärischen Fokus über eine Partei, jedoch wollten sie Andersdenkende aus dem eigenen politischen Lager durch ihre konkreten Aktionen überzeugen und nicht durch Polemiken zum Spaltungsprozess der Linken beitragen. Dieses Auftreten sicherte den Tupamaros Sympathien in den klassischen linken Organisationen, anders etwa als Guevara, der zum Beispiel während seiner Bolivienkampagne im scharfen Widerspruch zur Kommunistischen Partei Boliviens stand und so auf keine Unterstützung zählen konnte. Alain Labrousse spricht hinsichtlich des MLN-T von der aktiven Unterstützung vieler Gewerkschafter und der »wohlwollenden Neutralität« der Kommunistischen Partei Uruguays.63

5.2 Differenzen zwischen den beiden Guerilla-Konzepten

Beide Konzepte stimmen also darin überein, dass eine bewaffnete Vorhut den entscheidenden Faktor für die Revolution darstellt. Während Guevaras Konzept jedoch davon ausgeht, die Guerilla an den Rändern des zu bekämpfenden Systems aufzubauen – also in möglichst peripheren Regionen eines Landes – und von dort aus nach und nach ins besser gesicherte Zentrum vorzustoßen, sieht die Strategie des MLN-T vor, sich im Gegenteil im stärksten Punkt der gegnerischen Verteidigung, nämlich der Hauptstadt des Landes, einzunisten und vor dort direkt Schläge gegen die vitalen Organe des Systems zu führen. Dabei wird von einer hier bestehenden besonderen Konzentration feindlicher Kräfte ausgegangen, jedoch auch von einer hohen Verletzlichkeit der wichtigsten Zentren des Staates durch die hohe Anonymität und Beweglichkeit innerhalb einer Metropole.

Eine Ausweitung auf das Land wird jedoch explizit nicht ausgeschlossen, auch wenn etwaigen Organisationsteilen auf dem Land vor allem Unterstützungsfunktionen zukommen würden. Damit stellen die Tupamaros ein weiteres Mal die Empfehlungen Guevaras auf den Kopf, der davon ausgeht, dass städtische Einheiten vor allem logistische Aufgaben wahrzunehmen hätten und auch Sabotagemissionen durchführen könnten, aber strikt unter dem Oberkommando der ländlichen Guerilla stehen sollten.64 In der Vorstellung des MLN-T hingegen stellen die Guerillagruppen der Stadt die Hauptstreitmacht, während eventuellen Landeinheiten vor allem Logistik- und Ausbildungsaufgaben zu kommen sollten.65 Der städtische Kampf soll den Guerillakrieg auf dem Land also nicht lediglich vorbereiten, wie das etwa die Konzeption der brasilianischen Stadtguerilla vorsieht, sondern ist die Hauptform der bewaffneten Auseinandersetzung.66 Dies bedingt auch einen weiteren Unterschied zwischen den beiden Guerillakonzepten: Durch das Agieren in Mitten der Öffentlichkeit, ist die Stadtguerilla gezwungen, jeden ihrer Schritte genauer auf seine politischen Folgen zu analysieren, die bewaffnete Propaganda erreicht in der Stadt einen höheren Stellenwert als in peripherem, ländlichen Terrain, wo der revolutionäre Kampf zwar auch einen propagandistischen Charakter hat, jedoch verstärkt ein militärisches Muster zeigt. Die Landbevölkerung wird in diesen Konflikt gezwungenermaßen mit einbezogen, jedoch agieren hier allein auf Grund der Bevölkerungsdichte vor allem (para)militärische Einheiten, während in der Stadt fast jede Aktion ein Millionenpublikum findet. Um diesen politisch besonders brisanten Aspekt zu berücksichtigen, entwickelten die Tupamaros das Konzept der coyuntura, welches alle gesellschaftlichen Umstände einer bestimmten Aktion mit in den Blick nimmt, während im guevaristischen Modell vermehrt militärische Analysen erstellt werden.

Festzuhalten bleibt also, dass das MLN-T noch stark in der von Guevara und Debray geprägten lateinamerikanischen Aufstandstradition verhaftet ist, insbesondere in ihrer Rhetorik, dem Glauben an die bewaffnete Avantgarde und der propagandistischen Wirkung politischer Gewalt. Das klandestine Vorgehen im stärksten Zentrum des Gegners, die begleitende, tiefgehende politische Analyse jeder Handlung und ihre konsequente Ausrichtung auf eine Einheit der Linken gehen jedoch über das anfangs vorgestellte klassische Guerillakonzept hinaus.

5.3 Typologische Analyse

Nachdem das Verhältnis der uruguayischen Stadtguerilla zum Guerillamodell kubanischer Prägung untersucht wurde, soll nun das bereits skizzierte typologische Schema Peter Waldmanns zur Unterscheidung zwischen Guerillakrieg und Terrorismus hinzugezogen werden und die einzelnen Kategorien des Schemas auf das Guerillakonzept der Tupamaros angewendet werden.

5.3.1 Funktion der Gewalt

Ein Merkmal des Terrorismus ist laut Waldmann der Einsatz von symbolisch-kommunikativer, eine Reaktion provozierende Gewalt, während Gewalt in der Guerillakriegsführung einem militärischen Zweck folgt.67 Betrachtet man nun die Funktion der Gewalt im Revolutionskonzept der Tupamaros, so lässt sich Folgendes festhalten: Der bewaffnete Kampf ist für die Tupamaros das wichtigste Mittel zur Erreichung eines politischen Zieles, nämlich dem Umsturz des herrschenden politischen und gesellschaftlichen Systems in Uruguay. Von der bewaffneten Aktion erhoffen sich die Akteure gleich mehrere Vorteile. Zum einen soll der Staat dadurch in wichtigen Funktionen, wie der Ausübung des Gewaltmonopols zur Durchsetzung und Sicherung seiner politisch-gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gestört werden. Dazu sollen die bewaffneten Organe des Staates geschwächt, demoralisiert und auf lange Sicht militärisch besiegt werden, um so die Machtübernahme zu ermöglichen. Die Tupamaros selbst sahen sich 1968 bereits in einem Zwischenstadium zwischen konspirativer Gruppe und Guerilla, in der die bewaffnete Propaganda der direkten Konfrontation zu weichen beginnt.68 Auch wurde immer wieder betont, dass der Aufbau einer bewaffneten Streitmacht wichtiger Faktor in der zu erwartenden revolutionären Konfrontation sei. Der Aufbau der bewaffneten Organe dient hier der Vorbereitung auf die Machtübernahme. Somit kommt der politischen Gewalt eine militärische Funktion zu, auch wenn durch das Fehlen großer ländlicher Operationsgebiete ein Bewegungs- und Positionskrieg kaum möglich ist.

Die zweite Funktion des bewaffneten Kampfes des MLN-T ist jedoch eine propagandistische. Der bewaffnete Kampf soll – getreu der Fokustheorie – die revolutionäre Situation selbst herstellen. Durch »bewaffnete Propaganda« soll die Bevölkerung von der Notwendigkeit und der Machbarkeit der Revolution überzeugt und so zu Unterstützern der Guerilla werden. Durch den Rückhalt in der Bevölkerung ist die bewaffnete Organisation in der Lage sich zu konsolidieren, zu wachsen und zu einem gewichtigen politischen Faktor zu werden. Betrachtet man die bewaffnete Propaganda der Tupamaros, wie etwa die Entführung von korrupten Wirtschaftsmagnaten oder Überfälle auf Spezialeinheiten der Polizei, so liegt es nahe, von kommunikativer oder symbolischer Gewalt zu sprechen, was wiederum nach Waldmann auf eine terroristische Strategie schließen ließe. Bedenkt man aber, dass aufständische Gewalt nach der Guerillatheorie Guevaras immer eine militärisch-politische, also propagandistische, Rolle ausübt und so die revolutionären Bedingungen schafft, so lässt sich für die Tupamaros feststellen, dass sie nach eben jenem Doppelkonzept der Gewalt agierten, obgleich sie sicherlich der bewaffneten Propaganda weit mehr Bedeutung beimaßen, was auch an Hand ihrer Operationsbasis erklärt werden kann. Denkt man Waldmanns Typologie zu Ende, deutet im Gegenteil die kommunikative Funktion der Gewalt im Konzept Guevaras und Debrays auf einen hohen Anteil terroristischer Wirkungsmechanismen in der Guerilladoktrin hin, wie auch Stefanie Rübenach in ihrem Aufsatz »Die Theorie der Revolutionsherde. Befreiung der Dritten Welt oder Wegbereiter des Terrorismus?« allerdings hinsichtlich anderer Merkmale anmerkt.69

5.3.2 Soziale Unterstützung

»Massenbasis«, »Volkskrieg«, »die Massen für sich gewinnen« – die Unterstützung der Avantgarde durch die Bevölkerung ist die wohl wichtigste Revolutionsvoraussetzung und ein Hauptgegenstand der Diskussion in allen Texten sozialrevolutionärer bewaffneter Organisationen. Waldmann geht hier davon aus, dass eine typisch terroristische Gruppierung kaum über breite Unterstützerkreise verfügt, während ein Guerillakrieg ohne zumindest partielle Unterstützung der Bevölkerung in den Operationsgebieten überhaupt nicht begonnen werden kann.70 Die Tupamaros agierten klandestin, der Kern ihrer Kampftruppen lebte im Untergrund und so waren sie zu direkten Kontakten mit der Bevölkerung kaum fähig. Allerdings verfügten die Tupamaros – auch durch ein langwieriges Rekrutierungsverfahren, das einen langen Dienst in nicht-kämpfenden Service-Zellen für eine endgültige Aufnahme voraussetzte71 – über ein enormes Unterstützungspotenzial. Mehrere Tausend Aktivisten konnten zum engeren Unterstützungsfeld der Tupamaros gerechnet werden. Die Kerntruppen der Tupamaros betrugen laut verschiedener Schätzungen mehrere Hundert Kämpfer.72 Durch geschickte und kontinuierliche Propaganda und durch die unbedingte Vermeidung von Opfern aus der einfachen Bevölkerung konnten die Tupamaros auch Sympathien in weiten Kreisen der Bevölkerung gewinnen: Alain Labrousse zitiert eine repräsentative Umfrage von Ende 1970, in der sich 34 % der Uruguayer für die Operationen der Tupamaros aussprechen.73 Dies ist wiederum ein Beweis für die Fähigkeit der Tupamaros zur Analyse ihres Vorgehens auf die politische Sinnhaftigkeit.

Viel Wert wurde auch auf die Agitierung bereits organisierter Interessengruppen innerhalb der Gesellschaft und innerhalb der Linken gelegt. Im documento no. 5 reflektiert das MLN-T seine Beziehungen zu den verschiedenen Gruppen, und macht vor allem auf die Unterstützung durch die Studentenbewegung, Teile der Gewerkschaften und die Basis der linken Parteien aufmerksam.74 Aufgabe jedes legal lebenden Mitglieds oder Unterstützer der Organisation ist das Verbreiten der Ideen der Tupamaros und des bewaffneten Kampfes, die Agitation hin zu einer größeren sozialen Polarisierung und die Suche nach neuen Rekruten.75 Für die Gewerkschaften wurden dazu die sogenannten CATs (Comités de apoyo a los Tupamaros, Komitees zur Unterstützung der Tupamaros) ins Leben gerufen, um so Tupamaro-freundliche Zellen in größeren Organisationen zu schaffen. Auch gab es die Idee, eine politische Bewegung, die als Sammlungsbecken für die politischen Ziele der Tupamaros eintreten sollte, zu gründen.76 Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass zumindest der illegal lebende, bewaffnete Kern über wenig direkten Kontakt zur Bevölkerung verfügen konnte. Gleichsam verfügte das MLN-T jedoch über ein großes, nicht an Kampfhandlungen beteiligtes Aktivistenreservoir, das für die überlebenswichtigen Rahmenbedingungen sorgte, sowie durch Institutionen wie die CATs über eine wichtige Basis in Gewerkschaften und Massenorganisationen, so dass man für die Tupamaros nicht von einer sozialen Isolierung des militanten Kerns sprechen kann.

5.3.3 Territorialer Faktor

Der dritte Punkt der Waldmannschen Typologisierung geht davon aus, dass eine Guerilla unter Berücksichtigung militärischer Gesichtspunkte und auf Grund ihres Unterstützungsmilieus gezwungen ist, in räumlichen Kategorien zu denken und eine territoriale Basis zu verteidigen und auszubauen, während Terroristen diese gar nicht errichten können oder sogar bewusst darauf verzichten, um überall und jederzeit aus dem Untergrund zuschlagen zu können.77

Die Tupamaros agierten weitgehend klandestin, um so die mangelnden Rückzugsräume der ländlichen Gebiete auszugleichen. Eine territoriale Basis, im Sinne »befreiter Gebiete«, in die die Staatsmacht nicht mehr vordringen kann, ist für eine Stadtguerilla vermutlich höchstens in einer bürgerkriegsartigen Endphase der Kampagne denkbar. Ihre Macht übten die Tupamaros auf eine vielleicht indirektere Form als die der territorialen Kontrolle aus: Ihre Revolutionstheorie geht von der Schaffung von Machtdualität als wichtigen Schritt hin zur Übernahme der Regierungsgewalt aus. Um dieses Machtgleichgewicht zu erreichen, errichteten die Tupamaros aus dem Untergrund heraus einen Gegenstaat, dessen Formierung Luis Mercier Vega als die »Technik« des Guerillakrieges bezeichnet.78 Auf dem Höhepunkt ihres Einflusses teilten sie ihr Operationsgebiet in Zonen auf, die sie mehr oder weniger kontrollierten, und begannen, in den sichersten Patrouillen aufzustellen, die Zonen durch Hinterhalte zu verteidigen, Abgaben einzutreiben und eine revolutionäre Justiz zu installieren.79 Besonders die berühmten Volksgefängnisse, aber auch Untergrundkrankenhäuser, Sprengstofflabore, Ausbildungsstätten und Waffendepots sprechen deutlich für sich entwickelnde Strukturen eines Gegenstaates.80 Diese Strukturen wurden innerhalb des bürgerlichen Staates errichtet und befähigten das MLN-T in Teilen des Stadtgebietes als eine zweite Staatsmacht aufzutreten. Allemann attestiert den Tupamaros, in ihren gegenstaatlichen Strukturen im Untergrund und durch ihr großes Mitgliedsnetzwerk weit mehr Eigenleben entwickelt zu haben und das öffentliche Leben mehr durchdrungen zu haben, als selbst entwickelte foci der Landguerilla.81 Dieser Untergrundstaat der Tupamaros gewährleistete zwar kein zusammenhängendes »Staatsgebiet«, konnte durch seine Strukturen aber zumindest zum Teil die Funktionen einer territorialen Basis, wie Schutz, Versorgung und revolutionäre Staatlichkeit, erfüllen.

6 Fazit

Nachdem nun zunächst das in Lateinamerika so wirkungsmächtige Guerillamodell kubanischer Prägung und anschließend das Konzept des movimiento de liberación nacional – Tupamaros vorgestellt wurde, beide Guerillamodelle auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede bzw. Weiterentwicklungen untersucht wurden, um abschließend eine typologische Analyse der uruguayischen Stadtguerilla durchzuführen, lässt sich abschließend Folgendes feststellen:

Die von Che Guevara und Régis Debray formulierte Guerilladoktrin, die den bewaffneten Fokus als Keimzelle der Revolution und gleichzeitig als Propagandamotor für die Mobilisierung der Bevölkerung definierte, besaß einen immensen Einfluss auf revolutionäre Gruppen in und außerhalb Lateinamerikas. Die Tupamaros griffen die Kernthesen auf, verlagerten jedoch den Operationsraum und legten tendenziell mehr Gewicht auf den propagandistischen Effekt des kämpfenden Fokus. Gerade das politisch stets reflektierte Vorgehen hob die Tupamaros von den vielen von Guevara inspirierten Guerillaorganisationen ab und ermöglichte ihnen, dem Aufbau einer Gegenmacht und der Erreichung des politischen Zieles näher zu kommen als die meisten anderen Bewegungen. Folglich ist zwar die ideologische und makrotheoretische Nähe zum kubanischen Modell unverkennbar, jedoch weißt das politische und militärische Vorgehen der Tupamaros bedeutende Unterschiede und an die konkrete uruguayische Situation angepasste, eigene Entwürfe auf. Die Guerillakonzeption der Tupamaros kann also als eine Weiterentwicklung des kubanischen Guerillamodells angesehen werden, da es die Grundüberlegungen übernimmt, in der konkreten Umsetzung und Anpassung an die Verhältnisse der uruguayischen Gesellschaft entwickelten sie jedoch eine solch spezifische Theorie und Dynamik, dass man den uruguayischen Entwurf nicht nur als reine Verlagerung des guevaristischen Modells vom Land in die Stadt ansehen darf.

Aber ist diese Weiterentwicklung oder besser Neuinterpretation des Guerillamodells nun ein terroristisches Modell? Ist »urbane Guerilla« nur ein Euphemismus für »urbanen Terror« wie Walter Laqueur es ausdrückt?82 Das MLN-T wurde nach Waldmanns Schema hinsichtlich der Funktion der Gewalt, der sozialen Unterstützung und der territorialen Basis untersucht. Zunächst wurde erläutert, dass die Gewaltausübung der Tupamaros sowohl militärischen als auch propagandistischen Zwecken dienen soll. Da der propagandistische, auf gewissen massenpsychologischen Annahmen beruhende Einsatz von Gewalt, der auf indirektem Wege zum Ziel führen soll, Merkmal des Terrorismus ist, und die Tupamaros insgesamt weniger eine klassische militärische Auseinandersetzung führten als andere Guerillagruppen, läge eine Einordnung als terroristische Gruppe nahe. Jedoch wurde gezeigt, dass die Funktion der Gewalt im kubanischen Guerillamodell ebenso eine kommunikative Seite besitzt und die Tupamaros durchaus auch direkt, d.h. militärisch, agierten. Somit ist hier eine Zwischenstufe zu erkennen. Ähnlich verhält es sich bei der Frage nach der territorialen Basis, da festgestellt wurde, dass die Schaffung »befreiter Zonen« durch die Stadtguerilla kaum möglich ist. Allerdings sprechen die qualitative und quantitative Durchdringung des uruguayischen Staates mit einer Parallelorganisation und die faktische Machtausübung in ihrem Einflussbereich gegen den Rückschluss, die Tupamaros besäßen überhaupt keine territoriale Basis. Deutlich wird die Einordnung hingegen, was die die soziale Unterstützung angeht. Die Sympathie in vielen Sektoren der Gesellschaft und der große Kreis an praktischen Unterstützern, sowie der Aufbau von politischen Unterstützungsorganen wie den CATs, zeigen klar, dass es sich bei den Tupamaros nicht um eine isolierte Splittergruppe ohne Kontakte zur Bevölkerung handelte.

Terrorismus oder neue Guerillaform? Ausgehend von den in dieser Arbeit angestellten Analysen, kann man das movimiento de liberación nacional – Tupamaros am besten als eine Zwischenform begreifen. Das MLN-T, stark beeinflusst von der avantgardistischen Fokustheorie, entwickelte sich in Abgrenzung zu dieser in städtischer Umgebung und mit Schwerpunkt auf der politischen Funktion des bewaffneten Kampfes – unter Zuhilfenahme terroristischer Praktiken und Merkmale – zu einer bedeutenden politischen Gegenmacht mit einer hohen, an eine Volksbewegung erinnernde, Integrationskraft, wie dies wohl nur wenigen bewaffneten Bewegungen Lateinamerikas gelungen ist.

Stadtguerilla als Guerilla in der Stadt – diesem oft postuliertem Ideal kamen die Tupamaros schon sehr nahe.

Quellen- und Literaturverzeichnis

I Quellen

Centro de Documentación de los Movimientos Armados: Lista de Artículos de Movimiento de Liberación Nacional – Tupamaros, abgerufen unter: http://www.cedema.org/index.php?ver=verlista&grupo=67&nombrepais=Uruguay&nombregrupo=Movimiento%20de%20Liberaci%F3n%20Nacional%20-%20Tupamaros. (14.08.2014)

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II Literatur

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Fußnoten

1 Eigentlich ein Pleonasmus, denn guerrilla ist der Deminutiv des spanischen Wortes für Krieg guerra. Bei der Übertragung ins Deutsche hat sich die Schreibweise »Guerilla« mit nur einem »r« eingebürgert, welcher in dieser Arbeit gefolgt werden soll. »Guerilla«, der »kleine Krieg« bezeichnet einerseits die spezifische militärische Strategie, anderseits steht er als Gruppenbezeichnung für eine kämpfende Einheit von guerilleros.

2 Vgl. Fritz René Allemann: Macht und Ohnmacht der Guerilla; R. Piper & Co. Verlag, München 1974, S. 311, 348.

3 Vgl. z.B. Peter Waldmann: Terrorismus. Provokation der Macht; Murmann Verlag GmbH, Hamburg 2011, Anhang 2: Wichtige terroristische Gruppierungen (1960 – 2010), S. 312 – 317.

4 Robert F. Lamberg: Die castristische Guerilla in Lateinamerika. Theorie und Praxis eines revolutionären Modells; Verlag für Literatur und Zeitgeschehen, Hannover 1971.

5 Walter Laqueur: Guerilla. A Historical and Critical Study; Little, Brown and Company, Boston-Toronto 1976.

6 Arturo C. Porzecanski: Uruguay’s Tupamaros. The Urban Guerilla; Praeger Publishers, New York 1973.

7 Alain Labrousse: Die Tupamaros. Stadtguerilla in Uruguay; Carl Hanser Verlag, München 1971.

8 Alexander Straßner (Hg.): Sozialrevolutionärer Terrorismus. Theorie, Ideologie, Fallbeispiele, Zukunftsszenarien; Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008.

9 Vgl. Nina Huthöfer: Erfolgreicher Terrorismus? Die Tupamaros in Uruguay, in: Straßner (Hg.): Sozialrevolutionärer Terrorismus, S. 345 – 362.

10 Vgl. hierzu: Frank Hempel: Zwischen Guerilla und proletarischer Selbstverteidigung; Europäische Hochschulschriften: Reihe 31, Politikwissenschaft, Band 135; Verlag Peter Lang GmbH, Frankfurt am Main 1989, S. 162 f.

11 Vgl. Peter Waldmann: Terrorismus und Guerilla – Ein Vergleich antistaatlicher Gewalt in Europa und Lateinamerika, in: Uwe Backes, Eckhard Jesse (Hrsg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie (E&D), 5. Jahrgang 1993; Bouvier Verlag, Bonn 1993, S. 69 – 103.

12 Vgl. ebenda, S. 71.

13 Alle Texte von Ernesto Che Guevara in deutscher Übersetzung in Horst Kurnitzky (Hg.): Rotbuch 9, Ernesto Che Guevara. Guerilla – Theorie und Methode; Verlag Klaus Wagenbach, Berlin-West 1968.

14 Régis Debray: Revolution in der Revolution? Bewaffneter Kampf und politischer Kampf in Lateinamerika; Trikont Verlag, München 1967.

15 Vgl. Allemann: Macht, S. 350.

16 MLN-T: Wir, die Tupamaros; Verlag Roter Stern, Frankfurt am Main 1974.

17 Ernesto Mayans (Hg.): Tupamaros. Antología documental; CIDOC Cuaderno No. 60, Cuernavaca 1971.

18 Information Documentaire d’Amérique Latine (INDAL) (Hg.): Movimiento de liberación nacional (TUPAMAROS) – documentación propia, Heverlee-Louvain 1973.

19 Centro de Documentación de los Movimientos Armados: Lista de Artículos de Movimiento de Liberación Nacional – Tupamaros, abzurufen unter: http://www.cedema.org/index.php?ver=verlista&grupo=67&nombrepais=Uruguay&nombregrupo=Movimiento%20de%20Liberaci%F3n%20Nacional%20-%20Tupamaros (14.08.2014)

20 MLN-T: documento no. 1, in: INDAL: documentación, S. 35 – 44, documento no. 5, in: INDAL. documentación, S. 73 – 85.

21 Abraham Guillén: Estrategia de la guerrilla urbana. Principios básicos de guerra revolucionaria; Ediciones Liberación, Montevideo 1969.

22 Ernesto Che Guevara: Der Guerillakrieg, in: Kurnitzky (Hg.): Rotbuch 9, S. 23.

23 Zum Folgenden vgl. ebenda.

24 Vgl. Guevara: Guerillakrieg, S. 103.

25 Zum Folgenden vgl. Debray: Revolution, S. 111 f, 124.

26 Vgl. Debray: Revolution, S. 124, 128 f.

27 Zum Folgenden vgl. Guevara: Guerillakrieg, S. 23 – 26, sowie Ernesto Che Guevara: Guerillakrieg: Eine Methode, in: Kurnitzky (Hg.): Rotbuch 9, S. 125 f.

28 Vgl. Debray: Revolution, S. 55.

29 Guevara: Guerillakrieg, S. 124.

30 Vgl. hierzu: Stefanie Rübenach: Die Theorie der Revolutionsherde. Befreiung der Dritten Welt oder Wegbereiter des Terrorismus? , in: Straßner (Hg.): Sozialrevolutionärer Terrorismus, S. 98 – 101.

31 Zum Folgenden vgl. Guevara: Guerillakrieg, S. 31 – 33, 79 – 81, sowie Guevara: Methode, S. 134, 137 – 140.

32 Guevara: Guerillakrieg, S.18.

33 Vgl. ebenda, S. 51.

34 Vgl. ebenda, S. 49 f, sowie Guevara: Methode, S. 139.

35 Vgl. Guevara: Guerillakrieg, S. 36 f, 89.

36 Vgl. Labrousse: Tupamaros, S. 38 f.

37 Vgl. MNL-T: documento no 1, III. Factores o hechos reales basicos que condicionan la estrategia nacional, Abschnitt 15, 16, in: INDAL: documentación, S. 37. Bei den Texten der Tupamaros werden neben der Seitenzahl des dokumentierenden Werkes auch die entsprechenden Unterüberschriften oder Abschnittsnummern des Originals angegeben. Dies dient der besseren Nachvollziehbarkeit der Zitate in teils sehr unübersichtlichen Dokumenten.

38 Vgl. MLN-T: 30 preguntas a un tupamaro (Antwort 18), abrufbar unter: http://www.cedema.org/ver.php?id=1722 (29.08.2014) Es handelt sich bei den berühmten »30 Fragen an einen Tupamaro« um ein Interview, das am 2. Juni 1968 in der chilenischen Zeitung »punto final« veröffentlicht wurde und die Funktion einer Charta der Tupamaros annahm.

39Zum Folgenden vgl.: MLN-T: documento no. 1, V. La Lucha Urbana (1,2,4,5) S. 39 f.

40 Vgl. Antonio Mercader/Jorge de Vera: Los Tupamaros. Estrategia y acción – Informe; Editorial Omega, México D.F. 1971, S. 10 – 12.

41 Zum Folgenden vgl.: MLN-T: documento no. 1, V. La Lucha Urbana (6, 8 – 11, 13, 14) S. 40, sowie MLN-T: Wir, die Tupamaros; Verlag Roter Stern, Frankfurt am Main 1974, S.6.

42 Zum Zellensystem der Tupamaros vgl. MLN-T: Reglamento, in: INDAL: documentación, S. 67 – 70.

43 Vgl. Guillén: Estrategia, S. 17, 23.

44 Vgl. MLN-T: documento no. 5, Analises des los sectores fundamentales (4), in: INDAL: documentación, S. 78.

45 Vgl. MLN-T: 30 preguntas (21), sowie documento no. 1, I. Continentalidad (9, 10), S. 36.

46 Vgl. MLN-T: documento no. 1, VI. La lucha rural (1, 3, 5), S. 40.

47 Die Gesellschaftsanalyse der Tupamaros fasst der uruguayische Wissenschaftler Arturo Porzecanski treffend zusammen, siehe: Porzecanski: Uruguay’s Tupamaros, S. 3 – 6.

48 Vgl. MLN-T: documento no. 1, IV. Conclusiones generales (1 – 5), S. 38.

49 MLN-T: 30 preguntas (1), Übersetzung durch den Verfasser.

50 Vgl. MLN-T: documento no. 1, IV. Conclusiones generales (7, 9), S. 38.

51 Vgl. MLN-T: documento no. 1, VIII. La organización revolucionaria (2, 5), S. 42.

52 Vgl. MLN-T: 30 preguntas (13).

53 Zum Folgenden vgl. MLN-T: documento no. 1, IV. Conclusiones generales (20), S. 39, sowie documento no. 5, Tesis militar (10 – 12, 16, 21, 23), 83 f.

54 Vgl. MLN-T: Wir, die Tupamaros, S. 11, sowie Allemann: Macht, S. 334 f.

55 Zum Folgenden vgl. MLN-T: documento no. 5, Tesis Militar (14), S. 82 f.

56 Vgl. Porzecanksi: Uruguay’s Tupamaros, S. 12.

57 Vgl. MLN-T: documento no. 4, La carta de las masas (2) in: INDAL: documentación, S. 57 f.

58 Guevara: Guerillakrieg, S. 23.

59 MLN-T: documento no. 1, IV. Conclusiones generales (1 – 3), S. 38. Übersetzung durch den Verfasser.

60 Vgl. ebenda, IV. Conclusiones generales (18), S. 39.

61 Zum Folgenden vgl. MLN-T: 30 preguntas (4, 13, 15), sowie documento no. 1. , VII. Las tareas en el frente de las masas (11 – 13), S. 41 f.

62 Exemplarisch hierfür steht z.B. die Haltung des MLN-T zum linken Wahlbündnis »Frente Amplio«, welches auf Grund ihrer Ausrichtung auf den Parlamentarismus zwar kritisiert wird, als wichtiges Projekt für die Einheit der Arbeiterklasse jedoch sogar öffentlich unterstützt wird, vgl. MLN-T: Manifiesto de los Tupamaros sobre el Frente Amplio, in: Mayans (Hg.): Antología, S. 5/25 – 5/27.

63 Labrousse: Tupamaros, S. 169.

64 Vgl. Guevara: Guerillakrieg, S. 50 f.

65 Vgl. MLN-T: documento no. 1, VI. La lucha rural (1, 3, 5), S. 40, sowie den »Plan Tatú«, in welchem das MLN-T die Schaffung von Landkolonnen ankündigte: MLN-T: Plan Tatú y organisación del MLN en el interior del país en base a siete columnas, in: INDAL: documentación, S. 143 – 146.

66 Zur brasilianischen Stadtguerilla vgl. z.B. Allemann: Macht, S. 296 f.

67 Vgl. Waldmann: Terrorismus und Guerilla, S. 70 f.

68 Vgl. MLN-T: documento no. 1, suplemento: conclusiones (1), in: INDAL: documentación, S. 44.

69 Rübenach: Revolutionsherde, S. 111.

70 Vgl. Waldmann: Terrorismus und Guerilla, S. 73 f.

71 Vgl. MLN-T: Reglamento, 5. Celulas perifericas, in: INDAL: documentación, S. 68, sowie Huthöfer: Terrorismus?, in: Straßner (Hg.): Sozialrevolutionärer Terrorismus, S. 350 – 352.

72 Vgl. z.B. Allemann: Macht, S. 351. oder Labrousse: Tupamaros, S. 166

73 Vgl. Labrousse: Tupamaros, S. 172.

74 MLN-T: documento no. 5, Analisis de los sectores fundamentales, S. 77 – 79.

75 MLN-T: 30 preguntas (9 – 11).

76 MLN-T: documento no. 5, Tesis política (14 – 18), S. 76.

77 Waldmann: Terrorismus und Guerilla, S. 74 f.

78 Vgl. Luis Mercier Vega: Las guerrillas de América Latina. La técnica del contra-estado; ed. Paidos, Buenos Aires 1969, S. 14.

79 Vgl. MLN-T: documento no. 5, Tesis militar (21, 23), S. 84.

80 Vgl. MLN-T: Wir, die Tupamaros, S. 11, sowie Laqueur: Guerilla, S. 352.

81 Vgl. Allemann: Macht, S. 349.

82 Zitiert bei Stephanie Rübenach: Die brasilianische Stadtguerilla. Aktionskonglomerat auf widersprüchlicher Grundlage, in: Straßner (Hg.): Sozialrevolutionärer Terrorismus, S. 410.

Download:
Bennewitz, Fabian: Das Konzept der Stadtguerilla in Uruguay. Weiterentwicklung des kubanischen Guerillamodells oder neuer urbaner Terrorismus?; Berlin 2014.

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Creative Commons CC BY-NC-ND by Fabian Bennewitz