neunzehnhundertsechsundachtzig

neunzehnhundertsechsundachtzig
ging mein lebenslichtlein an,
in der berliner charité
war’s meine geschichte, die begann.

ein jahr später ein geschenk
– eines der größten mir im leben –
bekam, auch wenn ich dies nicht gleich erkannt,
mein schwesterherz gegeben.

als ich drei und vier dann war,
verschwand das land, wo ich geboren.
der kapitalismus holt uns ein,
der sozialismus scheint verloren.

doch auch wenn’s einschneidend mir klang,
blieb’s lang‘ diffus und unverstanden
und noch heute weiß ich nicht, wie’s mich geprägt
die geschicht‘ der deutschen landen.

zweiundneunzig ging’s zur schule,
umzug, neue klasse; dort lief’s fürchterlich;
nochmal umgeschult und angekommen
und endlich fühlte ich geborgen mich.

die nächsten jahre liefen gut;
zumindest, wenn ich richtig mich erinner.
mit bensen über’n schulhof streifen.
and’re nannten uns die spinner.

doch wir träumten uns nach anderswo,
in ’ne welt mit rittern und auch drachen.
ich denk‘ satjira wurde dort gebor’n;
begann zumindest zu erwachen.

als ich neunundneunzig an die penne kam,
war die brd im krieg;
ihrem ersten seit dem dritten reich,
der revanchisten sieg.

durch mobbing waren mir geprägt
die ersten jahre oberschule
und auch, wenn’s ab der neunten besser war,
galt ich in meiner klasse niemals als der coole.

am elften september es geschah
im jahr zweitausendeins,
ob verschwörung oder angriff auch,
der versöhnung worte gab es keins.

es begann der »krieg gegen den terror«,
so wurde das schlachten nun genannt:
bombenhagel, invasion,
die erde wurd‘ verbrannt.

was blieb da and’res übrig,
als für frieden sich zu engagier’n?
begann politisch mich zu wehr’n,
gegen die, die blind marschier’n.

so richtig ging dies los,
als zweitausendunddrei
der irak wurd‘ bombardiert
und es wurde laut der friedensschrei.

in jenem jahr hat mich geprägt
nach australien ein austausch auch,
die erste liebe und der freiheit ruf;
das sein schien mir ein rausch.

es folgten liebschaften und liebe,
straszenkampf und punkkultur,
soziale kämpfe, hundert plena,
che wurd‘ mir zur leitfigur.

das abi schrieb’ch im jahre sechs
und begann dann zu studieren,
drögen stoff unnützen wissens
in zig seminar’n zu absolvieren.

die welt brach mir zusammen
im sommer zwanzig-zehn
als nach harter trennung
ich allein musst‘ weitergeh’n.

denk‘ ich an das jahr danach,
denk‘ ich an trauer und an glück,
die bluttat von utøya, an kubas landschaft
und lelias erste laute noch zurück.

nach dem studium kam die lohnarbeit,
sinnentleert und depressiv;
kaum leben oder freude noch,
der blick vom fenster schien nicht tief.

da hab‘ ’nen neuen weg ich mir gesucht,
begann auf lehramt umzusteigen,
in geschicht‘ und informatik
erneut prüfungen zu schreiben.

zweitausenddreizehn stand ich dann
auf der bühn‘ ein erstes mal,
wurd‘ teil rotzfrecher asphaltkultur
auftritte folgten viel‘ in ihrer zahl.

ein türkiser schimmer war’s,
der kam mir in mein leben,
als im nächsten frühjahr dann
ich erneut begann zu lieben.

 

Creative Commons CC BY-NC-ND by Meas Wolfstatze
(geschrieben am 22.12.2014)

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